Berufsarmee — Nein danke

■ Gegen die Trennung von ziviler und militärischer Gesellschaft KOMMENTARE

Das war ja vorauszusehen! Die Golfkrise lenkt Wasser auf die Mühlen jener deutschen Militärstrategen und -lobbyisten, die sich schon immer um die reale Kriegsfähigkeit der Deutschen gesorgt haben. Denn die Auseinandersetzungen um die Einbeziehung deutscher Truppen in den Krieg gegen den Irak via Türkei haben die Bonner Hardthöhe in Angst und Schrecken versetzt: die Soldaten der Bundeswehr, vor allem die Wehrpflichtigen, sind für den wirklichen Krieg nur bedingt einsatzbereit. Sie verweigern, sie haben Angst, sie haben nichts gegen das Soldatsein, aber offensichtlich sehr viel gegen die persönliche Beteiligung am wirklichen Krieg. Was eigentlich als zivilisatorischer Fortschritt gewürdigt werden müßte, die weitgehende Kriegsunwilligkeit und -unfähigkeit der deutschen Gesellschaft, wird aus der Sicht der in- und ausländischen Kriegsbefürworter zum deutschen Menetekel: mit diesen Soldaten kann die Bonner Politik auf die Dauer keine „Bündnistreue“ garantieren.

In dieser Situation wird also wieder einmal die Idee von der Bundeswher als Berufsarmee lanciert. Das Kalkül ist einfach: Die Militärs müssen sich nicht mehr mit den unwilligen, lustlosen, unkalkulierbaren Wehrpflichtigen rumplagen, sondern können auf jenen Ausschnitt der männlichen Bevölkerung zurückgreifen, dem der rechte Kriegsgeist immer noch nicht abhanden gekommen ist. Die Berufssoldaten bleiben unter sich, können unbeeinflußt von zivilen Einflüssen ihr soldatisches Berufsethos entwickeln. Die Zivilgesellschaft auf der anderen Seite kann sich von der Auseinandersetzung mit dem Militärischen entlasten, kann die Frage einer eventuellen Kriegsbeteiligung auf jene abwälzen, die sich für das Soldatsein entschieden haben. Die Frage „Verweigern oder Dienen?“, die sich derzeit jeder wehrfähige junge Mann in Deutschland vorlegen muß, ist dann überholt.

Die Armee als geschlossene Gesellschaft von Leuten, deren Job der Krieg ist, als von der Zivilgesellschaft abgeschotteter „Staat im Staate“ — das hat es in der deutschen Geschichte schon einmal gegeben, nicht mit den besten Ergebnissen. Die Einführung einer Berufsarmee bedeutet nichts weiter als die Trennung von militärischer und ziviler Gesellschaft, die Einrichtung eines schützenden Refugiums für das Militärische gegenüber einer mehrheitlich kriegsunwilligen Bevölkerung. Er zielt darauf, die Entscheidung über Krieg und Frieden soweit es geht dem öffentlichen Diskurs zu entziehen und zur alleinigen Angelegenheit der Regierung zu machen. Der Vorschlag zur Schaffung einer Berufsarmee, angeblich im Bundestag bereits mehrheitsfähig, dient nur einem Ziel: Deutschland soll wieder kriegsfähig werden. Martin Kempe