Übergang bis zur „heimatnahen Abschlußbehandlung“

■ Aus einem Schreiben des hessischen Sozialministeriums über die Kriegsvorbereitungen in hessischen Krankenhäusern DOKUMENTATION

Immer wieder haben amerikanische Offiziere, so zuletzt die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Margarete Nimsch, versichert, sie legten keinen Wert auf zivile deutsche Krankenhausbetten für im Golfkrieg verletzte GIs. Sie wollten dorthin im Notfall lediglich ihre eigenen „zivilen“ Patienten auslagern. Die entgegengesetzten Aktivitäten einzelner Klinikleitungen haben bei Krankenhauspersonal und Zivildienstleistenden immer wieder zu Mißtrauen gegenüber dieser Aussage geführt. Wir dokumentieren ein Schreiben des Hessischen Sozialministeriums vom 22. Januar 1991, fünf Tage nach Beginn des Golfkrieges.

Betr.: Hilfeleistung hessischer Krankenhäuser bei der Versorgung von Kriegsverletzten aus der Golfregion

Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen zur gesundheitlichen Versorgung der im Golfkrieg Verwundeten haben die US-Streitkräfte u.a. ihre stationären Einrichtungen in der Bundesrepublik weitgehend freigemacht. Unterstützend dazu hat die Bundeswehr ihre Krankenhäuser entsprechend vorbereitet. Bei Bedarf stehen damit ggfs. über die amerikanischen Flugplätze in Frankfurt am Main und Ramstein zu erwartenden Notfallpatienten insgesamt 4.000 Krankenhausbetten zur Verfügung. Es ist zunächst davon auszugehen, daß diese Kapazität ausreichend ist. In Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung des Golfkrieges kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß zusätzlich Behandlungsplätze benötigt werden und dazu entsprechend den humanitären Verpflichtungen des Völkerrechts auch zivile Krankenhäuser in Anspruch genommen werden müssen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die evtl. zu behandelnden Patienten in der Regel notfallmedizinisch versorgt und nur vorübergehend stationär unterzubringen sind, bis eine heimatnahe Anschlußbehandlung möglich ist.

Um im Bedarfsfall die notwendige Hilfeleistung anbieten zu können, wurden zwischenzeitlich erste Abstimmungsgespräche insbesondere mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr im Wehrbereich IV geführt. Dabei wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß die Patientensteuerung nach den von mir mit Erlaß vom 11. d. M. In Kraft gesetzten Grundsätzen zur Gefahrenabwehr bei Schadensereignissen mit einem erhöhten Anfall von Verletzten unterhalb der Katastrophenschwelle erfolgen soll. Entscheidend für das Funktionieren dieser Verteilungsaufgabe ist dabei die fernmeldemäßige Verbindung mit der Zentralen Koordinierungsstelle auf der für Hessen bedeutsamen Rhein-Main-Air-Base, die von Stellen der Bundeswehr eingerichtet wird.

Der Transport der Patienten wird im Bedarfsfall mit entsprechenden Fahrzeugen der US-Streitkräfte und der Bundeswehr erfolgen. Es ist davon auszugehen, daß weitere Transportkapazitäten nicht erforderlich sind.

Die Patientensteuerung erfolgt ggfs. auf der Grundlage des EDV-gestützten Verwundetensteuerungssystems der US-Streitkräfte, das von der Koordinierungstelle der Bundeswehr übernommen wird. Dadurch liegen in der Regel schon 5-8 Stunden vor dem Eintreffen von Verwundeten auf der Rhein-Main-Air-Base konkrete Daten vor, die eine rechtzeitige Organisation der gezielten Verteilung auf geeignete Krankenhäuser ermöglichen. Als geeignet sind dabei grundsätzlich alle Krankenhäuser anzusehen, die möglichst über allgemein-chirurgische (insbesondere thorax- und bauchchirurgische), traumatologische bzw. orthopädische, urologische und augenheilkundliche Fachabteilungen oder Einrichtungen für Brandverletzte verfügen.

Welche Krankenhäuser im einzelnen in Frage kommen, kann nur bei Vorliegen konkreter Anforderungen entschieden werden. Dessen ungeachtet, halte ich jedoch eine Vorabstimmung mit allen grundsätzlich geeigneten Krankenhäusern im Einzugsbereich für geboten. Als Einzugsgebiet sind dabei die Regierungsbezirke Darmstadt und Gießen und der Landkreis Fulda anzusehen.

Ich bitte deshalb, mit den hier in Frage kommenden Krankenhäusern die entsprechenden Kontakte herzustellen und mich schnellstmöglichst über den Umfang der Aufnahmebereitschaft zu unterrichten.

In Vertretung: (Weiß) Staatssekretär