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Bush vor der Entscheidung

Wann beginnt der Bodenkrieg? Wahrscheinlich „langsame“ Eskalation der Angriffe der Alliierten  ■ Aus Washington Andreas Zumach

Nach ihrer Rückkehr aus Saudi-Arabien unterrichteten US-Verteidigungsminister Cheney und der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte, Powell, gestern in Washington Präsident Bush über ihre zweitägigen Beratungen mit dem US-Oberkommando in Riad. Die offizielle Bekanntgbe einer Entscheidung Bushs über den Beginn des Bodenkrieges gegen die irakischen Truppen wurde gestern in der US- Hauptstadt nicht erwartet. Der französische Verteidigungsminister Joxe, der heute in Washington erwartet wird, erklärte, diese Entscheidung müsse von den Regierungen der gegen Irak verbündeten Staaten „gemeinsam getroffen“ werden. Sein israelischer Amtskollege Arens bemühte sich gestern in Washington um Zusagen für künftige Waffenlieferungen.

Auf dem Rückflug von Riad sowie bei seiner Ankunft in Washington hatte Cheney einerseits auf die „Erfolge“ der bislang erfolgten Luftangriffe gegen die Irak verwiesen, sich zum anderen jedoch „beeindruckt“ über Informationen zur Stärke der irakischen Armee gezeigt, die er erhalten habe. Welche Empfehlung sie Bush für die weitere Kriegsführung geben würden, wollten Cheney und Powell vor Beginn der Unterrichtung des Präsidenten nicht mitteilen. Der Beginn eines umfassenden Bodenkrieges zum jetzigen Zeitpunkt wird in Washington nicht erwartet. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt die Fortführung der Bomben- und Raketenangriffe in unverminderter Stärke (bislang knapp 60.000 Angriffe) über die nächsten zwei Wochen bei gleichzeitig langsamer Eskalation des Bodenkrieges. Das Kalkül dieser Strategie: Mit vereinzelten Angriffen alliierter Armeeverbände sollen irakische Einheiten aus ihren Stellungen in Kuwait herausgelockt werden und dann durch Luftangriffe „vernichtet“ werden. Mit dem Hinweis, daß die US-Regierung „auch in der Vergangenheit vor wesentlichen Entscheidungen die gegen Irak verbündeten Staaten konsultiert“ habe, begründete Frankreichs Verteidigungsminister Joxe seine Erwartung, daß eine Entscheidung über einen Bodenkrieg „von den Alliierten gemeinsam getroffen wird“. Joxe reist von Washington weiter nach Saudi-Arabien.

Bush, der letzte Woche vor allem mit Blick auf den Mitte März beginnenden Ramadan zum baldigen Beginn des Bodenkrieges gegen den Irak entschlossen schien, wurde in den letzten Tagen vor allem von Kongreßmitgliedern aufgefordert, noch zu warten. Seit nunmehr fast zwei Wochen läßt die Bush-Administration die immer intensiver werdende Debatte um die Strategie in einem laufenden Krieg ganz bewußt unter reger Beteiligung der US-Öffentlichkeit stattfinden — ein bislang einmaliger Vorgang. Dadurch wird ein — tatsächlich nicht existierendes — demokratisches Mitspracherecht suggeriert.

Forderungen nach mehr Waffen und militärischer Ausrüstung stehen nach Informationen aus dem Pentagon auf der Wunschliste, mit der Israels Verteidigungsminister Arens gestern nach Washington kam. Seine Gespräche mit verschiedenen Regierungsstellen begannen erst nach Redaktionsschluß der taz. Im State Department wurde damit gerechnet, daß die israelische Regierung — wie schon in der ersten Kriegswoche — erneut eine „Belohnung“ für ihre weitere militärische Zurückhaltung gegen den Irak trotz fortgesetzten Scud-Raketenbeschusses einfordern werde.

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