Hausapotheke für den Krieg?

■ Fälschung: Behörden-Brief behauptet Engpässe bei medizinischer Versorgung

Dienstag, 12. Februar 1991: ein Arbeitstag der besonderen Art für Helga Loest, Pressesprecherin der Gesundheitssenatorin. AnruferInnen aus dem Bremer Osten ebenso wie aus Walle und Gröpelingen überschütten sie mit Nachfragen. Der Grund: In der vorausgegangenen Nacht haben Unbekannte gefälschte Flugblätter mit dem Briefkopf und der Unterschrift der Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger an tausende Bremer Haushalte verteilt.

Da kann man lesen, daß „mit zunehmender Dauer“ des Krieges am Golf sich „Engpässe im medizinischen Bereich“ andeuteten. Die Bremerinnen und Bremer werden aufgefordert, den Inhalt ihrer Hausapotheke umgehend bei der Behörde zu melden, „um eine medizinische Mindestversorgung auch im zivilen Bereich gewährleisten zu können“.

Die Irritation ist groß, die in dem Brief angegebenen Leitungen in das Büro der Pressesprecherin laufen heiß. Der Briefkopf, der übrigens seit Jahren nicht mehr verwendet wird, habe eben einen offiziellen Charakter, sagt Helga Loest, die Leute seien erst einmal verunsichert. „Unglaublich, so mit der Angst der Menschen umzugehen. Das ist völlig verantwortungslos. Man denke vor allem an ältere Menschen“, empört sich Loest.

Der gefälschte Aufruf verkündet außerdem, daß „die Durchführung von Routineoperationen für bestimmte Zeit stark eingeschränkt sein wird.“

Alle Frauen zwischen 18 und 55 Jahren und Männer zwischen 18 und 60 Jahren sollten sich bei der Gesundheitsbehörde melden, um im Rahmen der Dienstverpflichtung „eventuell zu erwartende Personalnotstände“ zu mildern. Eine „vorsorgliche“ Verweigerung der Dienstverpflichtung sei jedoch möglich.

Vera Rüdiger vermutet, daß die Aktion politisch motiviert ist und wittert „vor dem Hintergrund des Golfkrieges“ ein „Geschäft mit der Angst“. Sie verurteilt die Aktion als „politische Rattenfängerei“ und hat wegen Verleumdung, übler Nachrede und Urkundenfälschung Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Helga Loest ist enttäuscht: „Die haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, Vera Rüdigers Unterschrift richtig zu fälschen.“ laso