Du Provinz-Possierlichkeit!

■ Warum das Bremer Theater einem Regisseur zur Strafe das Honorar kürzte

Mittelschwere Donnerkeile schleudert Roland Schäfer, der Gastregisseur des „Don Juan“, gegen das Bremer Theater. Schäfer, dessen Inszenierung vor drei Wochen abgesetzt worden war, behauptet jetzt, dahinter stünde nicht nur, wie das Theater erklärt hat, der Unfall der Schauspielerin Maria von Bismarck, sondern noch viel mehr: ein Vergeltungsschlag des Generalintendanten Tobias Richter persönlich!

Da haben wir aber, könn'se glauben, die Recherche-Maschine angeworfen, mehrere Telefone schwer. Erhofft haben wir uns, ehrlich gesagt, das herzhafte Eifersuchtsdrama, was in der Theaterintrige doch immer steckt. Aber nix damit. Heraus kam eine Wirrsals-Geschichte von provinz-possierlichen Maßen, nämlich diese: Es fing alles an wie immer, mit einem Film.

Roland Schäfer, der Regisseur, hatte sich für Horvaths Finsterstück „Don Juan kommt aus dem Krieg“ einen Film in den Kopf gesetzt. Hauptsächlich um Roland Schäfer, den Hauptdarsteller, so oft und nah und groß wie möglich in die Szene zu projizieren. Nun ja, das Theater, immer im Wind, bongte den Film für 8.000 Mark. Allerhöchstens. Gekostet hat er schließlich mehr als das Doppelte. Wegen Panne, sagt Schäfer. Von wegen Panne, sprach das Theater und zog, auf Anweisung Richters, dem Schäfer kurzum 8.400 Mark von seinem Honorar ab.

Seitdem ist eiskalter Kleinst- Krieg. Schäfer droht mit einer Klage. Intendant Richter klirrt retour: „Solche Klärung ist ganz in meinem Sinne!“ Aber daß er, Richter, das umstrittene Geld gleich einbehalten hat, ist denn das eine Art? „Habe ich einbehalten?“ fragt Richter zurück. „Da sage ich, bevor es juristisch wird, gar nichts!“

Einer aber waltet unter ihm, der gleich ein volles Geständnis ablegt, nämlich sein alter Verwaltungsdirektor Dünnwald: „Ja, das Geld haben wir zurückbehalten“. Dramaturgin Krenek hingegen erschrickt auf Anfrage (“Woher wissen Sie das?“) und weiß aber ihrerseits weiter von nichts. Pressemann Schönsee hat was läuten hören, will aber, daß es der Intendant selber sagt, welcher bekanntlich daran vehement überhaupt nicht denkt!

Dafür dementieren allesamt, ohne gefragt zu sein, einen Vorwurf, den niemand erhoben hat: Neineinein, daß deswegen das Stück abgesetzt worden ist, soll'n wir jetzt bloß nicht glauben. Wäre „grundfalsch“ (Dünnwald). „Das weise ich strengstens zurück“ (Richter). Nur Roland Schäfer argwöhnt eisern einen Racheakt. „Aber das Abo war doch schon durch“, gibt Richter zurück, „und am Ende kamen bloß noch vierzig, fünfzig Leute in die Vorstellung.“

Obwohl auch das Ensemble in einem inständigen Bittschreiben um Wiederaufnahme des Stücks gefleht hat, kommt der „Don Juan“ wohl nicht mehr auf den Spielplan. „Zwei Rollen müßten da neu besetzt werden“, sagt Frau Krenek. „Das bedeutet teure und aufwendige Wiederaufnahme- Proben.“ Und das technische Personal, heißt es, schiebt schon jetzt einen Haufen Überstunden vor sich her, ach.

Das Theater! Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, zu tauchen in diesen Schlund? Aber weil wir schon am Fragen sind: das Haus am Goetheplatz trägt seit paar Tagen keinen Kriegstrauerflor mehr. Probefrage: Weiß jemand den Grund? Dünnwald keinesfalls, an ihm ist das vorbeigegangen, sagt Dünnwald. Schönsee hat, sagt er, „noch gar nichts von gemerkt“. Schon möglich, daß er von hinten her per Hubschrauber zur Arbeit geflogen kommt. Frau Krenek endlich gesteht, „ja, es war Herr Richter“, welcher, zurück von Gastarbeit in Montpellier, solches verfügt hat. Alsdann, Herr Richter, heraus mit dem Motiv! „Ich finde, die Zeit, wo man pathetisch Trauer gezeigt hat, ist mal vorbei. Ich laufe laufe ja auch nicht ewig mit schwarzer Krawatte nach einem Trauerfall. Jajaja, was wir sonst machen jetzt auf den Krieg hin, werden wir sehen.“ Ja, das Theater. Manfred Dworschak