Rundfunk in Sachsen

■ Nie wieder soll ARD mit „Außer Raum Dresden“ übersetzt werden

Berlin (dpa/taz) — Ausgeprägter Landesstolz und jahrzehntelange Vernachlässigung sind wohl die Hauptursachen dafür, daß die Diskussion um den künftigen Rundfunk im neuen Bundesland Sachsen leidenschaftlicher und engagierter als anderswo geführt wird. „Tal der Ahnungslosen“ hieß diese Region zu Zeiten der DDR, waren doch damals auf den Bildschirmen allenfalls die beiden real-sozialistischen Programme zu empfangen.

Die Demütigung dieser Jahre sitzt tief und sie schwingt unausgesprochen auch in allen medienpolitischen Diskussionen der vergangenen Monate mit. Die Sachsen sind sich einig: Nie wieder soll ARD mit „Außer Raum Dresden“ übersetzt werden. Sie konnten es daher schier nicht erwarten, bis endlich ZDF und ARD in technisch gute Qualität zu empfangen waren. Hätte es länger gedauert, das Landesparlament hätte wohl dem Drängen der BürgerInnen nachgeben und gleich alle Sender aus Berlin abschalten müssen.

Jetzt will Sachsen ganz vorn mitspielen. Neue Sender sollen her, neue Programme und jede Menge Frequenzen. Technische Einwände hören sich für sächsische Ohren eher nach Ausreden an, und so warnte Regierungssprecher Michael Kinze jüngst im Anschluß an eine Konferenz der Bundespost in Berlin vor jeder Form der Benachteiligung der Sachsen, „die jetzt endlich Anspruch auf vollwertige Einbeziehung in das deutsche Rundfunksystem haben, und nicht für die 40jährige DDR-Politik bestraft werden dürfen“.

Die neuen Verhältnisse begünstigen in Sachsen selbst hochfliegende Pläne. Der Freistaat ist groß und hätte sogar die Möglichkeit, mit den Gebühreneinnahmen allein, Rundfunk zu veranstalten. Mit einer Bevölkerung von 4,9 Millionen EinwohnerInnen entfallen 30,1 Prozent der Rundfunkgebühren auf das neue Bundesland. Bei einem kaum kalkulierbarem Anteil von Gebührenbefreiungen, sowie -verweigerungen sind das immer noch 1.440.000 gebührenpflichtige RundfunkteilnehmerInnen. Doch Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sieht die Vorteile, die ein starkes Sachsen innerhalb einer Mehrländeranstalt genießt. Die Umsetzung der vorliegenden Pläne wird keine Angelegenheit von mehreren Jahren, nicht zuletzt dank starker Unterstützung durch Bayern, das Medienpolitiker, Experten, Gesetzestexte und vor allem Geld in Programme nach Sachsen schickte, um dort schnell zu helfen.

Von Beginn an ist im neuen Freistaat alles schneller als anderswo gegangen. Sachsen-Radio mit seinen 800 MitarbeiterInnen (darunter viele OrchestermusikerInnen) veranstaltet seit Oktober aus dem Funkhaus Leipzig schon drei Programme, mehr als jeder andere Landessender. Direktor Manfred Müller sieht sehr auf Eigenständigkeit und meint damit vor allem die Distanz zur früheren Zentrale in Berlin. Nicht einmal die Nachrichten kommen mehr von dort. Die Zusammenarbeit scheint gegen null zu tendieren.

In Sachsen sind neben dem Landessender bislang noch die zentralen Hörfunkprogramme von Radio Aktuell (früher Radio DDR), Deutschlandsender DS-Kultur (früher Stimme der DDR) und dem Jugendradio DT 64 aus dem Funkhaus Berlin zu empfangen. Die Frequenzen des Berliner Rundfunks wurden frühzeitig schon übernommen. Seit 1. Juli 1990 sendet darauf das Studio Bautzen und der Sorbische Rundfunk in der Lausitzer Region.

In Dresden befindet sich das Fernsehstudio des Landessenders Sachsen. Hier hat Direktor Frank Erler 116 Mitarbeiter zur Verfügung, um mit ihnen und einem Studio von 250 Quadratmetern ein attraktives Regionalprogramm zu gestalten. Im März 1990 begann man von hier aus gemeinsam mit den anderen Landessendern, abwechselnd im Wochenrhythmus eine 60-Minuten-Sendung über das jeweilige Land auszustrahlen. Seit dem 2. Dezember wird ein 45minütiges Regionalprogramm außer samstags gesendet. Ein weiteres Produktionsbüro ist derzeit in Leipzig im Aufbau.

Wenn die Landesparlamente zustimmen, und wer würde das bezweifeln, nachdem die Landesfürsten sich einig sind, wird Leipzig aber auch der Sitz der zukünftigen Dreiländeranstalt, die unter dem Traditionsnamen „Mitteldeutscher Rundfunk“ Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt umfaßt.