Befriedung der „Eskimos“

Die US-Atomflotte zieht aus dem schottischen Holy Loch ab/ Vor dreißig Jahren Demonstrationen/ Heute Besorgnis wegen wirtschaftlicher Folgen  ■ Von Ralf Sotscheck

Dunoon im Jahre 1961: Zehntausende demonstrieren in der schottischen Kleinstadt gegen die Stationierung US-amerikanischer Atom- U-Boote im Holy Loch am Fuß der Berge nördlich von Dunoon. Es ist die größte Demonstration in Schottland seit dem Generalstreik 1926. Die Proteste bleiben jedoch erfolglos: Im Sommer 1961 werden sieben U-Boote des Typs „Poseidon“ mit insgesamt 1.120 Atomsprengköpfen im Holy Loch stationiert. Ein hoher Offizier der US-Marine, völlig ungetrübt von geographischen Kenntnissen, sagte damals: „Wir lassen uns doch nicht von einer Horde Eskimos aufhalten.“

Dreißig Jahre später hat sich das Bild gewandelt. Die Ankündigung des britischen Verteidigungsministers Tom King in dieser Woche, daß die US-Marine ihren letzten Stützpunkt für Atom-U-Boote außerhalb der USA schließen werde, hat bei der Bevölkerung Dunoons Entsetzen ausgelöst. King versicherte, daß die USA weiterhin zu ihrer Verpflichtung „der atomaren Verteidigung Europas“ stehen. Der Rückzug aus Holy Loch hänge mit der Modernisierung der Flotte zusammen: Die neuen Trident-U-Boote haben eine weitaus größere Reichweite, so daß der Stützpunkt in Schottland obsolet geworden ist.

Für die Menschen in Dunoon ist das jedoch kein Trost. Im Lauf der Jahre hat man sich an die Marinesoldaten gewöhnt — vor allem an die Dollars, die die 2.000 US-Soldaten und ihre 1.600 Angehörigen am Ort ausgeben. Aus dieser Quelle fließen pro Jahr zehn Millionen Pfund (ca. 30 Millionen Mark) direkt in die lokale Ökonomie. Viele Wirtschaftszweige sind davon extrem abhängig, z.B. die Taxiunternehmen. Dunoon verfügt über 150 Taxis, deren Kundschaft zu 75 Prozent aus Marinesoldaten besteht. Ein Viertel der Arbeitsplätze Dunoons hängt von dem US-Stützpunkt ab. Die regionale schottische Entwicklungsbehörde schätzt den Verlust nach dem Abzug der U-Boot-Flotte sogar auf 50 Millionen Pfund im Jahr.

Die schottische CND veröffentlichte in dieser Woche eine Erklärung, in der es heißt, die USA seien „moralisch verpflichtet, die frühere Schönheit der Gegend nach ihrem Abzug“ wiederherzustellen. Doch daraus wird nichts. Zwar wird der Stützpunkt im Holy Loch — bis 1961 beliebtes Ausflugsziel für die Bevölkerung Glasgows — geschlossen, bleibt jedoch für Stippvisiten der neuen U-Boote erhalten. Für Dunoon die schlechteste Lösung: die Dollars bleiben aus, aber als Naherholungsgebiet steht Holy Loch dennoch nicht wieder zur Verfügung.

Martin O'Neill, Verteidigungsminister im Labour-Schattenkabinett, forderte finanzielle Hilfe der britischen und US-Regierung für Dunoon. Die schottische Westminster-Abgeordnete Ray Michie von den Liberalen Demokraten befürchtet, daß viele Hotels und Pensionen schließen werden müssen. Außerdem heirateten jedes Jahr 200 US- Soldaten einheimische Frauen, fügte sie hinzu. Verteidigungsminister King sagte zu der Besorgnis der Bevölkerung Dunoons über den Truppenabzug lediglich: „Ich bin mir nicht sicher, was ich für die Heiratschancen so vieler Mädchen in Dunoon tun kann.“