Der Fernseher der Zukunft ist zerleg- und recycelbar

Umweltverträgliche Produktionen werden vorgestellt/ Umweltministerin Griefahn will die „Übergangs“-Müllverbrennungsanlage/ Ziel ist die „Ausleih“-Gesellschaft  ■ Von Hermann Josef Tenhagen

Berlin (taz) — „Schon in zwei Jahren werden wir keinen Fernseher mehr verkaufen können, ohne daß der Lastwagen zurückkommt und uns die Altgeräte auf den Hof schüttet.“ Wolfgang Maryniok ist kein Apokalyptiker des Industriesystems, er arbeitet in der Konstruktionsabteilung von Loewe Opta. Und dort zerbricht er sich seit geraumer Zeit den Kopf über die Art Flimmerkiste, die Loewe Opta, wenn es denn sein muß, gerne wieder auf dem Hof hätte.

Seit Fernseher in manchen bayerischen Kommunen als Sondermüll behandelt werden, kommt für den verklebten, plastikgeschweißten Kasten der achtziger Jahre definitiv das Aus. Deshalb will Maryniok nun die leicht zerlegbare Glotze bauen: Heute sei das Zerlegen noch „außerordentlich arbeitsintensiv“, für die Massendemontage zu teuer.

Der „grüne Fernseher“ der Zukunft soll nicht nur leicht zu zerlegen sein, außerdem soll er länger leben und nur noch aus wenigen Materialien bestehen. Das schnell demontierte Gehäuse könnte beispielsweise aus einem zermahlbaren und ohne Qualitätsverlust einschmelzbaren Kunststoff bestehen. Alternativ könnten aber auch alle wichtigen Geräteteile in einen Stahlrahmen eingehängt sein, den dann ein Leichtgehäuse vielleicht sogar aus Preßpappe umschließt. Knapp fünf Millionen solcher neuen Fernseher pro Jahr (der Jahresabsatz in Deutschland) wären dann immer noch nicht giftmüllfrei, gesteht Wolfgang Maryniok, aber „entscheidend ist doch, daß wir den ersten Schritt in die richtige Richtung tun.“

„Jede Flasche kann heute zu 100 Prozent als Altglas wiederverwendet werden, beim Auto liegt die Quote erst bei etwa 75 Prozent“, bekennt eine große deutsche Autofirma in ihrer Werbung. Der Rest Alt-Auto, immerhin eine halbe Million Tonnen im Jahr, landet als Giftmüll auf Deponien und in Öfen. Doch auch das soll sich ändern.

Siegfried Brüdgam aus der VW-Forschungs- und Entwicklungsabteilung (F & E) repräsentierte in Berlin den guten Willen der Autoindustrie. VW hat sich das Ziel gesetzt, ein Drittel des steigenden Kunststoffanteils am Auto zu recyceln. Im ostfriesischen Leer hat die Firma zwei Millionen Mark investiert und läßt 28 Langzeitarbeitslose alte Autos aus dem Konzern zerlegen. Davon erhoffen sich die Konzernoberen Erkenntnisse für eine rationelle Autodemontage.

Derweil bearbeitet Brüdgam selbst mit acht Ingenieuren die 3.000 Kopfarbeiter der F & E-Abteilung in Wolfsburg und versucht ihnen eine ökologischere Produktgestaltung nahezubringen. Acht von 3.000 ist nicht gerade viel. VW will aber zumindest seine Marktmacht für den ökologischeren Zweck nutzen. Die Zulieferbetriebe sollen angegangen werden mit dem Ziel, Stoffkreisläufe zu schließen — mit andern Worten: sie sollen ihre abgewrackten Katalysatoren, Stoßdämpfer etc. zurücknehmen — der Schrott soll auf ihren Höfen landen.

Das ökologischere Auto genießt in der Modellstrategie von VW (noch) nicht Priorität. Schuld daran sei allerdings der Konsument. „Es nützt VW überhaupt nichts, den ,blauen Engel‘ fürs Auto zu bekommen, aber daran pleite zu gehen“, warnt Brüdgam.

Unverdrossen wirbt auf der gleichen Veranstaltung Monika Griefahn, die niedersächsische Umweltministerin, für eine konzertierte Aktion von BürgerInnen, PolitikerInnen und Wirtschaft. Die ehemalige Greenpeace- Frau formuliert klare Zielvorstellungen für die ökologischere Produktion: „Produkte, die hergestellt werden, haben eine Lebenslinie. Der Hersteller ist für die gesamte Lebenslinie verantwortlich und muß langfristig 98 bis 100 Prozent der Materialien wiederverwerten.“ Dafür müßten Konsumenten bei Kauf und Zwangsrückgabe Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen, PolitikerInnen die Rahmenbedingungen setzen und die Industrie innovative, neue Herstellungsverfahren erarbeiten. Ihr schwebe eine „Ausleihgesellschaft“ statt der Konsumgesellschaft vor.

Griefahn spielte vor den Industriellen und Abfallexperten souverän mit Zuckerbrot und Peitsche. Sie könne sich vorstellen, der Industrie Müllverbrennungsanlagen „für eine Übergangszeit zu genehmigen“. Allerdings sei die Müllverbrennung glaubwürdig nur als „Übergangstechnik“ denkbar. Gleichzeitig müßte also die Produktion deutlich umgestellt werden und dies den BürgerInnen „überzeugend“ verkauft werden. Nur dann könne man zusammen ökologische Probleme der Industriegesellschaft lösen. „Jetzt haben wir noch eine Chance, sagen wir mal 20 Prozent. Das ist wesentlich besser als im Lotto.“