Munitionsverladung: Sicherheit Vertrauenssache

■ Niedersächsische Landesregierung überläßt Sicherheitsbestimmungen den Militärs / Gefahrenzone reduziert

Munitions-Nachschub für die alliierten Truppen wird jetzt auch über den privaten Midgard-Hafen in Nordenham und Bremerhaven an den Golf verschifft. Dies teilte ein Bundeswehrsprecher gestern in Hannover mit, der gleichzeitig nicht völlig ausschloß, daß auch atomare Waffen verladen würden. „Mit Unverständnis und Ungläubigkeit“ wies die Midgard Deutsche-Seeverkehrs AG diese Aussage allerdings zurück, und auch der Bundeswehrsprecher selbst korrigierte sich noch am Nachmittag, wie dpa berichtet. Helmut Werner, vom Vorstand der Hafengesellschaft, versicherte, daß mit Ausnahme der Giftgastransporte im September nur „konventionelles Material“ verschifft wurde. Daran werde sich auch nichts ändern.

In Nordenham ist zur Verladung der Munition schon im November ein entsprechender militärischer Sicherheitsbereich eingerichtet worden. In Bremerhaven könne auf einen solchen Sicherheitsbereich verzichtet werden, weil dort „lediglich Ausrüstungsgegenstände“ verladen werden, hatte der Bundeswehrsprecher erklärt.

In Emden dagegen, wo der Hafen seit dem 31. Januar militärisches Sperrgebiet ist und das Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit den allierten Streitkräften die Oberhoheit übernommen hat, gelten die sonst üblichen Sicherheitsbestimmungen nicht. Während die niedersächsische Landesregierung noch im März vergangenen Jahres betont hatte, daß „auch künftig Munitionsumschlag nur unter strengster Einhaltung der Sicherheitsvorschriften durchgeführt werden darf“ (zu einer Anfrage der Grünen), überläßt sie jetzt die Festlegung und Einhaltung dieser Bestimmungen vertrauensvoll der Bundeswehr.

Statt der 1.000 vorgeschriebenen Sicherheitsmeter wurde der Gefahrenbereich, nach angeblich „erneuter Prüfung“, auf 220 Meter heruntergesetzt: Hätten doch sonst die Bewohner im Bereich der Schleuse evakuiert, manche Industriebetriebe und das PreußenElektra-Kraftwerk im Hafen stillgelegt, sowie die Schweißarbeiten im neu-entstehenden Containerhafen (Fertigstellungstermin: März) eingestellt werden müssen. So zumindest erklären VertreterInnen der Friedensbewegung in Emden, was die Bundeswehr lapidar mit dem Schlagwort „technisch“ begründet: „Sonst wäre der Umschlag technisch nicht möglich gewesen“, so ein Bundeswehrsprecher.

Bevor die Bonner Hardthöhe dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und erklärten Kriegsgegner Gerhard Schröder mitteilte, daß sie jetzt die Regie im Emder Hafen übernimmt, galt auch in Emden eine Sicherheitszone von 1.000 Metern rund um den Gefahrgutumschlag. Da der Katastrophenschutz eine originäre Landesaufgabe ist, hatte der zuständige Referatsleiter im niedersächsischen Landtag diese Sicherheitszone nach einer Munitionsprüfung festgestellt: Sprengtonnengewichte und Explosionsstoffgehalt bestimmen die Staffelung der Sicherheitszonen und wo wann welche Munition verladen werden darf. Bis dahin war der Südkai deshalb aus Sicherheitsgründen für die Munitionsverladung rein rechtlich Tabu. Gestattet war der Umschlag nur am äußersten Nordzipfel des Emder Hafens.

Doch auch davon will jetzt niemand mehr etwas wissen. Selbst das Verbot zum Umschlag von Flüssiggas, das der niedersächsische Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr am Freitag vorsorglich erlassen hatte, ist bereits wieder hinfällig: Schon am Montag wurde am Flüssiggas-Terminal wieder gearbeitet. Zwei weitere Schiffe sind angekündigt. „Wenn Flüssiggas- Tanker kommen, wird das Verladen der Munition solange unterbrochen“, hatte Siegfried Meckel von der Emder Umschlagsgesellschaft (der EVAG, Emder Verkehrs-Aktiengesellschaft, einer fast hundertprozentigen Veba- Tochter) der taz erklärt.

Damit die Munitionszüge nicht allzu augenfällig werden, sind sie in den vergangenen zwei Tagen weiter ins Gelände verteilt worden, berichten Emder „Bürgerinnen gegen Kriegsvorbereitungen“, die die Verladung seit deren Beginn im November beobachten. 20 Züge mit je 30 bis 50 Waggons haben sie notiert. Einige seien jetzt hinter die Verladerampen geschoben worden.

Bisher konnten sich die KriegsgegnerInnen vor Ort nicht erklären, warum Landesregierung und Regierungpartei (in Person des niedersächsischen SPD-Landsvorsitzenden und Emder Bürgers Johann Bruns) so widerstandlos den Hafen aufgaben, mitsamt der Sicherheit ihrer Bürger. „Jetzt gibt es eine Erklärung“, betont Gisela Khan von der Friedensbewegung: „Vermutlich steckt ein Deal dahinter. Emden stellt den Hafen für den militärischen Nachschub zur Verfügung. Dafür überläßt die Bundesregierung dem Land den Rüsmer Nacken.“ Dieses Gebiet ist für die Realisierung des alternativen Hafenkonzepts absolut notwendig, dem wirtschaftlichen Rettungsanker nach Sterben des Projekts Dollarthafen. Vorgestern meldete die Emder Zeitung: Die Bundesregierung rückt ihre Spülfelder raus. ra