Ausschreitungen in der Mainzer Straße erstmals vor Gericht

■ Prozeß endete mit Haftstrafe auf Bewährung/ Gericht folgte »glaubhaften« Polizeiangaben

Moabit. Der erste Prozeß um die schweren Ausschreitungen bei der Räumung von 13 besetzten Häusern im Ostberliner Bezirk Friedrichshain im November 1990 endete am Mittwoch vor einem Moabiter Schöffengericht mit einer Verurteilung zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Einer der ehemaligen Besetzer von Häusern in der Mainzer Straße, ein jetzt 21jähriger Heizungsinstallateur, wurde des schweren Landfriedensbruchs schuldig gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte 18 Monate auf Bewährung beantragt. Dem Mann wurde unter anderem eine gefährliche Körperverletzung eines Polizisten zur Last gelegt.

Das Gericht folgte den »glaubhaften« Angaben von drei Polizisten, wonach der Angeklagte mit Helm und Gasmaske am Morgen des 14. November aus einer Menschenmenge von etwa 50 Personen einen brennenden Molotow-Cocktail geworfen hatte. Ein Polizist wurde getroffen. Seine Jacke geriet in Brand. Außer einer leichten Nackenrötung kam es zu keinen weiteren Verletzungen. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sah es das Gericht nicht als erwiesen an, daß der Beamte von dem Brandsatz des Angeklagten getroffen wurde.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Eine Verwechslung sei möglich, zumal in der Mainzer Straße mehrere Personen Gasmasken getragen hätten. Möglicherweise, so die Anwältin, hätten sich die Beamten auf den Angeklagten festgelegt, weil ein Grund für seine »rigorose Festnahme« gefunden werden mußte. Ihr Mandant habe einen Tag später in der Untersuchungshaft Schürfwunden am Körper gehabt und von Mißhandlungen durch gezielte Schläge gegen die Nieren gesprochen. Im Prozeß beriefen sich drei Beamte auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Es laufen Ermittlungen.

Im Zusammenhang mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Straßenschlachten und Blockaden während der Räumung der Mainzer Straße waren zunächst 325 Personen festgenommen worden. Jetzt im Prozeß berücksichtigten Gericht und Staatsanwaltschaft, daß der Angeklagte nicht zu einer Gruppe von »Krawallbrüdern« zu zählen sei, sondern wirklich eine Wohnung haben wollte. Dennoch sei es nicht hinzunehmen, argumentierte die vorsitzende Richterin, Gewalt zur Durchsetzung dieser Ziele einzusetzen. dpa