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Tour d'Europe

■ Geld und (Bildungs-)Gut

Nach Angaben der EG-Kommission ist der Zustrom von ausländischem Kapital in die Reformstaaten des ehemaligen Ostblocks „gegenwärtig unzureichend, aber extrem notwendig“ für das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung des Privatsektors. Insbesondere sei eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen aus dem Westen vorgesehen. Deshalb hat die EG-Kommission, die die Hilfe von 24 westlichen Staaten für mittel- und osteuropäische Länder koordiniert, kürzlich zwei neue Programme mit einem Umfang von mehr als 50 Millionen D-Mark aufgelegt. Rund 40 Millionen D-Mark sollen zur Stärkung des privaten Sektors in Bulgarien, der CSFR, Jugoslawien, Polen, Rumänien und Ungarn verwendet werden. Weitere 10 Millionen sollen für die technische Zusammenarbeit und Ausbildung sowie zur Förderung von Handel und Investitionen bereitgestellt werden.

Wer wohl (siehe nebenstehende Berichte) davon profitiert? Der EG ist es bisher nicht einmal gelungen, die Ungleichgewichte zwischen reichen und armen Teilen der EG auszugleichen. Nach einem Bericht von Eurostat, dem statistischen Amt der EG, verdiente ein dänischer Arbeiter im April 1989 mit umgerechnet 22,50 D-Mark durchschnittlich siebenmal mehr als sein portugiesischer Kollege. Selbst unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preise ist die Kaufkraft des Portugiesen noch dreimal niedriger als die des Dänen.

In einem Bericht über die Regionen in den neunziger Jahren stellte die EG-Kommission fest, daß die Unterschiede zwischen reichen und armen Landstrichen etwa doppelt so hoch seien wie in den USA. Ein Indiz für ein weiteres Auseinanderdriften von reichen und armen Regionen sei der Bildungssektor. In den drei wirtschaftlich schwächsten EG-Staaten Griechenland, Portugal und Irland erhalten nur halb so viele Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren eine allgemeine oder berufliche (nicht universitäre) Ausbildung wie in etwa in den wirtschaftlich stärksten Staaten Bundesrepublik, Dänemark oder den Niederlanden. Die für Forschung und Entwicklung ausgegebenen Gelder entfielen 1989 zu drei Vierteln auf die Bundesrepublik, Großbritannien und Frankreich. Innerhalb der armen Staaten ist der regionale Unterschied ebenso groß. So entfallen 72 Prozent der nationalen portugiesischen Forschungsausgaben auf den Raum Lissabon. Die Kommission fordert eine „weitaus stärker differenzierte Förderung“ der ländlichen Regionen.

Hilfreich zu wissen ist es in diesem Zusammenhang sicherlich, daß der Europäische Gerichtshof im November 1990 einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland Recht gegeben hat. Dieses Urteil verlangt die Zahlung von Bafög an ein Kind ausländischer Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und arbeiten auch für den Fall, daß dieses Kind in seinem Heimatland ein Studium aufnimmt. Grundsätzlich hat ein Kind, dessen Eltern Staatsangehörige eines EG- Mitgliedsstaates sind und in Deutschland arbeiten, denselben Anspruch auf Zugang zur Ausbildung und Förderungsmöglichkeiten wie ein Kind deutscher Eltern. Die deutsche Regelung sah vor, daß Kinder ausländischer Arbeitnehmer, die ein Studium im Ausland aufnehmen, die Ausbildungsförderung versagt bleibt. bel

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