Saddams Kollege

■ Zum Besuch Genschers im Folterstaat Syrien

Chemische Waffen besitzt das Land schon mindestens seit 1967. Ein ansehnliches Arsenal an Scud-Raketen steht auch zur Verfügung. Israel, so die Propaganda, hat das Regime seit Jahrzehnten den Kampf angesagt. In Großbritannien und den USA gilt das Land als Helfer des internationalen Terrorismus. Der Despot hält sein Volk mit Folter und Hinrichtungen, Morden, willkürlichen Festnahmen und jahrelangem Einsperren ohne Gerichtsverfahren in Schach. Jegliche Opposition ist praktisch verboten. Und während das Waffenarsenal von Jahr zu Jahr wächst, sinken die Lebensverhältnisse für die Menschen tiefer und tiefer. Vor einigen Monaten besetzten Truppen des Diktators weite Gebiete eines Nachbarlandes. Kann ein Krieg gegen diesen machthungrigen Diktator gerechtfertigt sein?

Die Frage ist rein rhetorischer Art. Denn ein Waffeneinsatz ist nicht vorgesehen, im Gegenteil bedient sich der Diktator dank reichlicher ausländischer Hilfe großzügig auf dem internationalen Markt für Mordgerätschaften. Internationaler Protest gegen die Besetzung des Nachbarlandes Libanon findet nicht statt, weil die Okkupation ganz offensichtlich international abgesegnet ist. Das Land ist nicht der Irak, und der Diktator heißt nicht Saddam Hussein. Es handelt sich um Syrien, dessen Staatschef Assad gestern freundlichen Besuch und einen warmen Geldregen vom deutschen Außenminister Genscher erhielt. Noch vor einem halben Jahr war solch ein Besuch unvorstellbar. Syrien stand auf dem Index fast aller westlichen Demokratien. Verändert hat sich das Assad-Regime in Damaskus seitdem nicht im geringsten. Doch der Diktator ist hoffähig geworden, weil er sich der Koalition gegen seinen Nachbarn, Kollegen und Erzfeind Saddam Hussein anschloß. Vor einem halben Jahr hätte man im Westen bei einer Palastrevolte gegen Assad dem Despoten keine Träne nachgeweint. Heute ist der Mann unverzichtbar geworden, quasi ein diktatorischer Hoffnungsträger der parlamentarischen Demokratien. Vor einem guten halben Jahr galt Assad als gefährlichster Feind Israels. Noch immer besitzt und erhält er Waffen, die ihn eines Tages in die Möglichkeit versetzen könnten, Israel anzugreifen. Noch steht Syrien an der Seite derer, die ein Land bekämpfen, das Israel die Vernichtung angedroht hat. Auch wenn sich jetzt andeutet, daß Assad das Existenzrecht Israels anerkennen könnte — eine Garantie für einen Nichtangriff ist das noch lange nicht. Und der syrischen Opposition hilft eine mögliche Öffnung des Assad- Regimes schon gar nicht. Nach der heute geltenden Logik kann man Genscher in Damaskus nur Erfolg wünschen, aber weil diese Logik nicht von Dauer sein wird, ist jedes freundliche Wort für Assad schon zuviel. Klaus Hillenbrand