: Energieschlemmen an der „Heimatfront“
Regierungsentwurf zur künftigen US-Energiepolitik schreibt Verschwendung fort/ Keine „Schockwirkung“ durch Golfkrieg ■ Von Silvia Sanides
Washington (taz) — Nicht saubere Analyse, sondern die „Theologie“ des freien Marktes dominiert die Entscheidungen der Politiker im Weißen Haus. Zu diesem Ergebnis kam James Wolf von der Umweltorganisation „Alliance to Save Energy“, als letzte Woche der lange erwartete Regierungsentwurf zur Zukunft der US-Energiepolitik bekannt wurde. Als geradezu „hoffnungslos“ klassifizierten andere Vertreter von Umweltorganisationen die Passagen, in denen es um Energiesparmaßnahmen geht.
Anlaß zur Zufriedenheit hatten dagegen jene, die von einem unverändert hohen Energieverbrauch in den USA profitieren. „Das sieht alles sehr positiv aus“, freute sich der Vorsitzende des Erdölkonzerns Arco, insbesondere weil der Plan aktuelle Einschränkungen für die inländische Erdölförderung herunterschraubt. Sprecher der Autoindustrie stellten erleichtert fest, daß keine neuen Bestimmungen zum Treibstoffverbrauch auf Amerikas Straßen vorgesehen sind. Der Atomenergielobby fiel ein Stein vom Herzen, da die Genehmigung neuer Kraftwerke künftig schneller über die Bühne gehen soll. Daß dabei das Mitspracherecht der Öffentlichkeit auf der Strecke bleiben wird, kann ihr nur recht sein. Viel Positives hatten Umweltlobby und fortschrittliche Energieexperten vom selbstgekürten „Umweltpräsidenten“ Bush zwar nicht erwartet; doch hatte man sich, so Dan Becker von der Ökoorganisation „Sierra Club“, zumindest vom Krieg am Golf „eine gesunde Schockwirkung“ erhofft. Eine Schockwirkung beispielsweise, wie das arabische Ölembargo sie 1973 auslöste. Damals hob Präsident Nixon sein „Project Independence“ aus der Taufe, das die Abhängigkeit der USA von importiertem Öl mit Hilfe von Energiesparmaßnahmen vermindern sollte. Und als während der iranischen Revolution 1979 die Ölquellen am Persischen Golf erneut versiegten, mahnte der damalige Präsident Jimmy Carter gar, es sei ein „moralisches Äquivalent zum Krieg“, der amerikanischen Energieverschwendung ein Ende zu setzen. Doch danach ging es mit der US- Energiepolitik bergab. Präsident Ronald Reagan verwässerte die Sparpolitik seiner Vorgänger und huldigte dem „freien Markt“. Sinkende internationale Erdölpreise kamen ihm dabei gelegen. So ist in den achtziger Jahren die Abhängigkeit der Amerikaner vom importierten Öl weiter gestiegen. Fünfzig Prozent des heimischen Bedarfs werden heute aus dem Ausland gedeckt. Nicht mit Sparmaßnahmen, sondern mit der Förderung heimischer Energiequellen reagiert die Bush-Regierung nun auf die jüngste Krise am Golf. Öl-, Gas- und Kohleindustrie sollen mit finanziellen Zuwendungen und gestrafften Genehmigungsverfahren ermutigt werden, ihre kostbare Ware künftig zuhause ans Tageslicht zu befördern.
Besonderes Bonbon für die Erdölkonzerne: Der Bush-Plan sieht die Freigabe des Naturreservats „Arctic National Wildlife Refuge“ an der Nordküste Alaskas zur Erdölexploration vor. Über drei Milliarden Barrel Öl vermutet das Energieministerium unter der ökologisch empfindlichen Tundra-Landschaft, eine enorme Menge im Vergleich zu anderen US-amerikanischen Öllagern, ein Tropfen auf den heißen Stein, gemessen am Energiehunger der Nation. Der Umweltexperte John Lichtblau ist deshalb überzeugt, daß die Abnabelung vom fremden Öl mit Bushs Methoden nicht gelingen wird. Amerikanisches Öl, sagt er, ist wegen der geologischen Beschaffenheit der Lager nicht billig zu haben. Nur eine deftige Importsteuer auf Importöl könnte der heimischen Förderung zur Wettbewerbsfähigkeit verhelfen. Die aber ist mit Bushs „Freier-Markt-Politik“ unvereinbar. Nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch viele Kongreßmitglieder sind vom Energieplan des Weißen Hauses geschockt. Gesetzesinitiativen in beiden Häusern sehen vor, was im Regierungsplan fehlt: Schärfere Effizienzvorschriften für elektrisches Licht und Geräte, Steuervorteile für die Entwicklung alternativer Energiequellen, geringerer Treibstoffverbrauch auf Amerikas Highways und die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs. Allgemein werden in den kommenden Monaten harte Auseinandersetzungen zwischen Kongreß und Weißem Haus erwartet. Umweltschützer haben schon im vergangenen Jahr über den Kongreß am „Gesetz zur Reinhaltung der Luft“ erfolgreich „mitgeschrieben“. Die künftige Energiepolitik wollen sie auf dem gleichen Weg zum Besseren wenden.
Mit Bushs Stabschef John Sununu haben sie es allerdings mit einem formidablen Gegner zu tun. Als erfolgreicher Atomphysiker ist der Mann ein Fortschrittsfetischist der alten Schule. Er brachte sowohl Außenminister James Baker als auch den Vorsitzenden der Umweltschutzbehörde John Riley zum Schweigen, die zuvor beide für Energiesparmaßnahmen und weitere Schritte zur Bekämpfung des Treibhauseffekts plädiert hatten. Auch Energieminister James Watkins, der den jetzt veröffentlichten Energieplan für die Regierung bearbeitet hat, sah in der ursprünglichen Fassung Sparmaßnahmen und die Förderung alternativer Energiequellen vor. Die wurden im Weißen Haus gestrichen. Watkins legte man nahe, sich dazu nicht öffentlich zu äußern. Seit der Krieg am Persischen Golf tobt, sitzt Sununu noch fester im Sattel. Bush spielt den Kriegspräsidenten, sein Stabschef wacht mit eiserner Hand über die Innenpolitik. Geschickt nutzt er die mißliche Wirtschaftslage, um seine Gegner in Schach zu halten. Mit dem Hinweis, angesichts der Rezession dürften der Industrie keine neuen Auflagen zugemutet werden, läßt sich dieser Tage mancher Kongreßabgeordnete ins Bockshorn jagen. Dabei wird geflissentlich übersehen, daß dies nunmehr die dritte amerikanische Wirtschaftskrise hintereinander ist, die wesentlich vom Anstieg der Rohölpreise ausgelöst wurde.
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