Wessis knacken Ossi-Banken

Ich weiß nicht genau, um wieviel Punkte die Arbeitslosenquote in der letzten Zeit in den neuen Bundesländern gestiegen ist, die Zahl der Banküberfälle hat jedoch um 300 Prozent zugelegt. Allmählich wird auch die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft nervös. Sie hat jetzt die Geschäftsleitungen sowie Betriebs- und Personlaräte der Ostbanken gebeten, sie möchten doch bitte ihre Sicherheitsvorkehrungen, wenn überhaupt vorhanden, verbessern.

Jeden Tag wird in den neuen Ländern der Statistik nach mindestens eine Bank geknackt. Meist sind es Westganoven, die im Osten problem- und risikolos Millionen einsacken. Die sicherheitstechnischen Anlagen der Ostbanken entlocken den erfahrenen Räubern meist nur ein müdes Lächeln, und durch die naiven Angestellten bekommt der Coup einen Schwierigkeitsgrat, der weit unter dem eines Fernsehquiz liegt. „Maske rüber, Pistole raus, Geld her und Flucht“ — mit diesen dramatischen Worten erklärt der brandenburgische Polizeisprecher den Ablauf der meisten Überfälle. Nur ein Viertel der Täter wird geschnappt. „Das aus der heilen Welt des Sozialismus kommende Bankpersonal ist total ungeschult. Personenbeschreibungen bleiben aus“, mokiert sich der Polizeisprecher. Der Spruch mit der „heilen Welt des Sozialismus“ ist natürlich Blödsinn, zeigt aber, zu welch verzweifelten Mitteln offizielle Stellen inzwischen greifen. Da wird einfach alles wieder auf den kleinen Mann geschoben.

So wie es aussieht, haben die schweren Westjungs nur den Stichtag der Währungsunion am 1. Juli letzten Jahres abgewartet, um abzuräumen. Vor allem donnerstags und freitags schlagen sie zu, weil sie da volle Kassen erwarten. Ihre Beutezüge machen sie vor allem in ländlichen Gebieten, die Dorfsparkassen stehen ganz oben auf der Hitliste der Räuber. Dabei gehen sie immer unverfrorener vor. Manche setzten sich, ermutigt durch Reportagen über Überfälle im Osten, einfach in den nächten Zug und fragen ganz unschuldig auf dem Zielbahnhof: „Wo ist denn bitte die nächste Sparkasse?“

Wie verrückt die Situation ist, zeigen die Worte des brandenburgischen Innenministers Ziel, der ohne Wenn und Aber den Offenbarungseid leistete: „Ich muß gestehen, daß wir die Situation nicht im Griff haben.“ Der SPD-Politiker klang etwas resigniert, als er die Kriminalstatistik des Landes vorlegte: 46 Banken und Sparkassen wurden im letzten Jahr in Brandenburg geknackt. Nur zwei der Überfälle konnten aufgeklärt werden. Karl Wegmann