Amman will Friedensschluß statt Kurzschluß

Nach dem Krach zwischen Jordanien und den USA steht das Haschemiten-Königreich vor dem wirtschaftlichen Ruin/ „Ohne eine offene Grenze zu Syrien werden wir hungern“/ Steigender Druck aus der Bevölkerung für Schulterschluß mit dem Irak  ■ Aus Amman Mariam Shahin

Jordanien ist dem wirtschaftlichen Zusammenbruch nahe. Das Königreich ist seit dem Beginn der Golfkrise zwischen dem Irak, Israel und den an der antiirakischen Koalition beteiligten arabischen Staaten Syrien und Saudi-Arabien buchstäblich eingeklemmt.

Die außenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen Jordaniens sind seither weniger Außenbeziehungen eines souveränen Staates als der verzweifelte Versuch, sich in keines der beiden Kriegslager hineinziehen zu lassen. Zu keinem Zeitpunkt in der Eskalation der Golfkrise zum Golfkrieg hätte das Einschwenken auf eine der beiden politischen Linien, die der antiirakischen Allianz oder die des Irak, für die jordanische Regierung etwas anderes bedeutet als politischen und wirtschaftlichen Selbstmord.

Laut König Hussein stehen König und Volk in ihrem eingeschlossenen Land auf der Seite des irakischen Volkes. Der wahre Grund für diesen Krieg sei die Absicht, den Irak zu zerstören und eine neue Ordnung im Nahen Osten zu etablieren. Seine wiederholten Aufrufe zum Waffenstillstand sind international auf taube Ohren gestoßen, aber das scheint König Hussein mittlerweile nichts mehr auszumachen. Noch nie in seiner 40jährigen Regierungszeit hat er sich gegenüber Presse und Bevölkerung so offen geäußert: „Wir grüßen unsere Brüder in Palästina und im Irak, die Tag und Nacht unter Besetzung und Bombardierung leiden müssen. Wir, die Araber Jordaniens, sind stolz darauf, mit welcher Stärke und Entschlossenheit sie ihre Feinde bekämpfen.“

Er mußte diesen Ton für seine Rede wählen, denn in Jordanien wächst der Druck der Bevölkerung auf die Regierung, enger mit dem Irak zusammenzurücken. Seit Monaten demonstrieren praktisch täglich radikale Moslems, Palästinenser und Irak-Sympathisanten aus allen Schichten für eine jordanisch-irakische Allianz.

Am Montag abend brandmarkten islamische Führer in Anwesenheit von König Hussein den „Völkermord“ an den Irakern. Die Präsidenten von Ober- und Unterhaus, Al- Lawsi und Arabiyat sicherten einer irakischen Parlamentsdelegation umfassende Unterstützung zu. Dienstag abend demonstrierten erneut 6.000 Menschen auf den Straßen Ammans.

Auf US-Hilfe dringend angewiesen

Nach der Rede von König Hussein kam, was kommen mußte: Von den in der multinationalen Allianz gegen den Irak beteiligten Staaten wurde von einem „Seitenwechsel“ Jordaniens ausgegangen. US-Regierungssprecher Fitzwater kündigte eine „Überprüfung“ der US-Militär- und Wirtschaftshilfe für Jordanien an.

In einem Fernsehinterview erklärte König Hussein daraufhin, die USA sollten nicht davon ausgehen, daß die jordanische Position in diesem Krieg sich so „billig“ ändern ließe. Jordanien werde sich nicht von der Drohung beeinflußen lassen, die 55 Millionen Dollar jährliche Wirtschaftshilfe der USA zu verlieren. Obwohl Jordanien auf diese Hilfe dringender angewiesen ist als je zuvor, betonten auch andere Regierungsmitglieder, daß sich Jordanien nicht werde erpressen lassen. „Sie werden es diesmal nicht schaffen, den König in die Knie zu zwingen“, erklärte ein Mitglied der Regierung.

Die diplomatische Krise zwischen Jordanien und den USA scheint fürs erste beigelegt: Gerüchte über einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten wurden mittlerweile dementiert, und die USA sind nach Angaben des Washingtoner Außenministeriums „erfreut“, daß König Hussein in seiner neuesten Fernsehansprache erklärt hat, er unterstütze nach wie vor die 12 UN-Resolutionen gegen den Irak.

Dennoch kann man in Jordanien wegen der ca. 2 Milliarden Dollar Verluste, die durch die Golfkrise und den Krieg bisher enstanden sind, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Öllieferungen und Importe kommen jetzt praktisch ausschließlich über die syrische Grenze. Die jordanisch-syrischen Beziehungen waren seit langem gespannt; nun fürchtet man, daß Syrien die neue Abhängigkeit Jordaniens wirtschaftlich und politisch ausnutzen wird.

„Ohne eine offene Grenze zu Syrien werden wir hungern“, erklärte der König schon vor zehn Tagen gegenüber der Presse. Und ein gutinformierter Jordanier erklärte: „Ohne die finanzielle Unterstützung anderer Staaten und angesichts der Grenzprobleme mit Syrien und Saudi-Arabien hat Amman keine andere Möglichkeit als zu hoffen, daß der Krieg bald vorbei ist. Die Grenzen müssen wieder geöffnet werden, damit Jordanien wieder Waren exportieren kann.“

Obwohl der stellvertretende irakische Ministerpräsident Hammadi am Sonntag in Amman alle arabischen Staaten dazu aufgefordert hatte, ihre diplomatischen Beziehungen mit den an der antiirakischen Allianz beteiligten Ländern abzubrechen, denkt man in Jordanien an einen „würdevollen Frieden und nicht an einen diplomatischen Kurzschluß“, wie es König Hussein formulierte.