Das Gute ist höchstens ein Zufall

■ »Der Exorzist III — Legion« von William Peter Blatty

Die amerikanische Kleinstadt im Jahre 1990. Die Schritte des namenlosen Mannes sind längst verhallt. Mehr als 15 Jahre sind seit dem Auftreten des Exorzisten verstrichen. William Peter Blatty, Autor des Erfolgsromans »Der Exorzist« (1971), welcher 1973 von William Friedkin aufsehenerregend verfilmt wurde, sträubte sich lange gegen eine Fortsetzung seines Buches. Doch 1983 erschien »Legion« und das Werk wurde genauso erfolgreich wie sein Vorgänger. Blatty stimmte einer Verfilmung nur unter der Bedingung zu, daß er Drehbuch und Regie in die eigenen Hände nehmen durfte.

Leider war die Absenz des Exorzisten in der Zwischenzeit keine völlige, denn John Boorman verging sich 1977 bei Warner Bros. erfolglos und ohne den Segen Blattys in »Exorzist II — The Heretic« an der Fabel von der Teufelsaustreibung. Um der verderbnisbringenden Untiefe einer erneuten effektorientierten Satanologie zu entgehen, verzichtete Blatty von vornherein auf das blutige Arsenal des Gore- und Splatter-Movie. Die Dramaturgie des Regisseurs ist eine »statische«: sie bezieht sich ausschließlich auf die Faktoren Glaubwürdigkeit, Atmosphäre und Intensität; weniger auf die Qualifizierung der Tricktechniker.

Die Kamera Gerry Fishers beschreibt ein adäquates Fluidum: die Sequenzen rollen sanft und drängend wie Meeresdünung, explodieren in szenisch zentralen Momenten in ununterbrochenen Totalen oder sind suggestiv und ausschnitthaft wie die Arbeit einer Fotokamera. Bei alldem verändert Blatty das Tempo des sich steigernden Grauens an keinem Punkt zugunsten eingeschobener Schocker. Die verschiedenen Handlungsstränge zentrieren sich in einer Eruption des Dämonischen, das Anathema der exzorzierenden Kirche in Gestalt des Paters Morning ist ein eher zufälliges und glückliches und der Showdown ebenso klassisch wie unerwartet.

Blatty skizziert die Umrisse des Schreckens, aber malt sie nicht aus. Er produziert eine Vision des Grauens und nicht dessen Apothese. Blut ist bei ihm ein Ding, das vergossen, nicht aber verschüttet wird.

Im Georgetown des Jahres 1990 scheint die Vergangenheit alleine in den schlimmen Erinnerungen ehemals Beteiligter noch einen Nachhall zu finden. Der Dämon ist längst aus dem Körper des Mädchens gewichen und Pater Damien Karras hat seinen Frieden gefunden. Erst mit der Leiche des Jungen Thomas Kintry und dem Tod eines weiteren Paters beginnt für den Polizisten Kindermann eine 15 Jahre alte Geschichte wiederaufzuerstehen. Über verschiedene Stationen in der städtischen Psychatrie und beteiligter, wie auch dort beschäftigter Personen, dringt Kindermann zum Zentrum des Bösen und dem der Klinik vor: dem Hochsicherheitstrakt. Hier wird ein Mann mit totaler Amnesie verwahrt. Langsam erkennt Kindermann, daß die Seele eines hingerichteten Killers in den sterbenden Körper von Pater Damien Karras transportiert wurde. Das Böse schuf und bedient sich dieser Kombination — des Mannes im Hochsicherheitstrakt — und will an der Familie des Polizisten Rache nehmen, der auch in der ersten Geschichte beteiligt war. Als Lieutentant Kindermann mit diesem Wissen in den Trakt geht, hat sich das Böse schon verschiedenster Personen tödlich bedient und Kindermann scheint im Kampf mit dem besessenen Karras/Killer der Unterlegene zu sein. Doch ein todwunder Priester reckt helfend zum letzten Mal das Kreuz des Heilands und Erlösers dem Dämon entgegen. Kindermann schießt auf den Teufel.

Die katholische Kirche akzeptiert nach eigenen Aussagen noch nicht einmal fünf Promille aller gemeldeten Fälle als realiter besessen und führt den Rest auf Psychose und psychosomatische Krankheiten zurück. Diese rationalistische Skepsis gegenüber Teufelsbesessenheit ging mit einer Bereinigung kirchlicher Rituale von dämonologischen Tendenzen einher. Lazismus und Toleranz verbannten den Exorzismus in die spanische Estremadura oder den bigotten amerikanischen Mittelwesten. Gab es in jeder mittelalterlichen Kirche zum Anfassen (und damit zum Entzaubern) ein kleines schwarzes Teufelchen am Chorgestühl, so sind im 20. Jahrhundert selbst allegorische Anspielungen — z.B. in den Taufritualen der katholischen Kirche — auf den Satan eliminiert. Die gestörte Integrationsfähigkeit und Ambivalenz der kirchlichen Lehren produziert automatisch zahllose Teufelskulte und läßt die Fälle (angeblicher) Besessenheit drastisch ansteigen.

William Peter Blatty bezieht sich in seinem Roman »The Exorcist« auf einen (angeblich) authentischen Fall von Teufelsbesessenheit aus dem Jahre 1949 in Maryland. Da Blatty die Geschichten seiner Bücher mit den Requisiten des amerikanischen Alltags ausstattet, aber auf imaginäre Schauplätze und Zutaten und auf heidnische Relikte — wie etwa die in den »Vampir«- und »Werwolf«-, letztendlich aber auch in allen »Alien«-Filmen — verzichtet, dokumentiert er in seinen beiden Büchern mittels realitätsnaher Schilderung katholischer Rituale das Ausmaß der Bereitschaft zum Teufelsglauben in Amerika.

Stützt sich Blatty in seinem ersten Buch — und Film — auf die Bestandteile des körperlichen Grauens, auf Suspense und Horror, so knüpft »Exzorcist II — Legion« nur zeitlich an den Vorgänger an. Das neue Werk forciert sogar noch — durch den Wegfall von Blutorgien und vordergründigen Schockelementen — die Alltäglichkeit und Beliebigkeit des Dämonischen. Die Flucht Blattys in die Realität ist sorgfältig inszeniert: die Locations im Film sind handverlesen und befinden sich alle in Georgetown. Die Garderobe und die Ausstattung stammen aus Warenhäusern der unmittelbaren Umgebung, und mit Pater John Durkin hat der Regisseur einen echten Jesuiten vor die Kamera geholt. Brad Dourif als Damien Karras und George C. Scott in der Rolle des pragmatischen Polizisten füllen ihre Rollen auch ohne das finalisierende Korsett eines Horrorfilms.

William Peter Blatty war Leiter der Abteilung »Psychologische Kriegsführung« der Luftwaffe der USA, die sich mit der Auswertung sowjetischer Propaganda beschäftigte, später Werbechef bei der jesuitischen Loyola-Universität in Kalifornien, bevor er zum Schreiben kam. 1979 debütierte er mit »The Ninth Configuration« auf dem Regiestuhl.

»Legion« ist ebenso präzise wie nüchtern. Kein Rausch des Bösen und kein Hohelied auf das Gute. Das Böse ist für Blatty in »Der Exorzist III — Legion« nicht der Horror, sondern die Person. Es kann mit ihr sterben, doch nicht besiegt werden. Und das Gute ist eigentlich gar nichts. Höchstens ein Zufall. Handloik

15, 17.30 und 20 Uhr im Filmtheater am Fernsehturm