Black Ladies sing the Blues-Festival

■ Letztes Bindeglied zu aussterbenden Arten

Vielleicht hat es so ein Dreitagepaket von Soul-Mummies gar nicht nötig, andere Beweggründe bei ihren Besuchern zu vermuten als die, endlich wieder einmal schweren Boden unter den Füßen spüren zu wollen, auf den man aus Leibeskräften einstampfen kann. Sich breit und blue zu fühlen, ganz direkt ohne Schnick-Schnack, Bruch oder Break. Da ist man immer richtig, keine Verunsicherung oder übermäßige Herausforderung, die es einem schwer machen könnte, sich zu amüsieren. Kein Trend, dem aufzusitzen man Gefahr läuft, und die Modernitätsfrage hat sich ja nun zum Glück erledigt, weil in den 90ern eh alles in ist.

Zwar sind die USA weit weg, der Mississippi total verdreckt und die Krokodile mittlerweile eher in der Handtaschenbranche heimisch, aber wen stört's, denn die sich dieser Wochenende präsentierenden Sängerinnen sind ihrer Heimt genauso fern wie wir.

Liz McComb lebt in Paris, Bambi Mohammed in den Schweizer Bergen und auch Jeany Carrol erholt sich vom rasanten Showbusiness Amerikas im moderaten Europa. Genau da fängt es an spannend zu werden. Man könnte sich dieses Festival nämlich auch unter ganz anderen Gesichtspunkten zu Gemüte führen. Als Nachhilfestunde in amerikanischer Musikgeschichte vielleicht, und deswegen konsequenterweise zum Anti-Amerikanismus finden oder zu einem erbitterten Feind der Unterhaltungsindustrie werden.

Warum, so kann man sich blauäugig fragen, kommt Angela Brown, »hottest lady in town«, die »Welterfolge« en masse hatte, von Chicago in die alte Welt? Und nicht nur sie, wie bereits erwähnt. Ein Contra-Argument: Im Gegenzug sahnten ja Tangerine Dream drüben immer wieder ordentlich ab, wovon sie hier nur zu träumen wagten. Propheten im Ausland also?

Vernachlässigt, verdrängt, verkannt im eigenen Land folgen die denn der Jubelbegeisterung für exotische Formen von Volksmusik. Der religiöse Hintergrund ist weitestgehend abgesichert und böse, böse Plantagenbesitzer, sprich Hauseigentümer und Industrie-Mafia gibt's hier ebenso wie in Chicago, einer Stadt der man und frau besser den Rücken kehrt.

Wäre man gehässig, könnte man die Neuankömmlinge, mächtige Botschafterinnen einer anderen Kultur, ähnlich wie in der Asylantenpolitik nach ihrer Authenzität fragen. Oder einfacher, welche Roots sind da geblieben, wenn Frau Carrol mit dem Wuppertaler Pianist Ulli auf Tour geht, Angela Brown den »Karriereknick« in Düsseldorf bekommt. Nebenbei wird aber immer wieder auf Bodenständigkeit, orts- und blutbedingte Herkunft verwiesen. Von den Veranstaltern und Managern sicher mehr als von den MusikerInnen.

Allerdings leben wir in einer Epoche des Verschwindens der Originale. Eine europäische Blues-Szene ist in voller Blüte und speist sich per Bluttransfusion aus Übersee, die Boogie Woogie-Pianos werden weitestgehend von weißen Fingern geklimpert.

So rührig wie »One Voice«-Weltmusikkonzepte auch sein mögen (»Seid umschlungen, Millionen!«, meint auch Sting), aber die Durchmischungsstrategien und globalen Transmissionsriemen befördern die Originale ins Abseits. Im Bemühen den Zugang zu den Quellen zu erleichtern, werden diese zugeschüttet. Schon erinnert die sicherlich weiße Band The Residents an Voodoo-Zauber und Rituale der schwarzen Bevölkerung Nordamerikas als eine der beiden Wurzeln US-Amerikanischer Unterhaltungsmusik.

Möglicherweise sind diese Frauen das letzte Bindeglied zu einer ausklingenden Musiklandschaft, ohne deren Kenntnis Musikentwicklung heute nur schwer zu wichten und einzuordnen ist. Wer also auf Fährtensuche in Sachen Roots'n‘History gehen, oder ganz einfach nur den Blues kriegen will: am Freitag gibt's ihn als Standardvariante von Angela Brown und Jeany Carrol, begleitet wie auch an den zwei folgenden Abenden von den Ambassadors of American Music.

Der Samstag ist mit Liz McComb und Queen Yahna dem Jazz gewidmet und als Wort zum Sonntag: Classic Gospel Blues von Maisha Grant und Bambi Mohammed. Micha Möller

Freitag, Samstag und Sonntag jeweils ab 22 Uhr im Franzclub