Vater-Sohn-Konflikt

■ „Der Mitwisser“, Mittwoch, 13.2., ARD, 20.15 Uhr

Schuld ist nicht teilbar. Oder doch? Wenn der gramgebeugte Vater alleine im Zimmer der französischen Herberge sitzt, mit sich und der Welt hadernd, wie er seinen Sohn dazu bringen könnte, über dessen Schuld an einem tödlichen Unfall nachzudenken, kann man schon glauben, daß sie übertragbar ist. Der Mitwisser fühlt sich mitschuldig. Und schaut man noch ein wenig genauer hin, dann hat der Schriftsteller Wolfdietrich Schnurre in seiner Fernseharbeit, die er als letzte vor seinem Tod 1989 geschrieben hat, den Mitwisser sehr bewußt ausgewählt.

Denn letzendlich geht es um einen nicht offen ausgetragenen Vater- Sohn-Konflikt. Der Autofahrer, der durch eine wütende Affekthandlung des Sohnes zu Tode kommt, dient lediglich zur Projektion einer unterdrückten Emotionalität, die sich zufällig gegen den — wie der Vater befehlenden — Unbekannten richtet. So wird der Mitwisser zum Mitverantwortlichen, denn als Vater hat er es nie geschafft, mit dem Sohn ins Reine zu gelangen — die Kurzschlußhandlung des Sohnes ist auch ihm zuzuschreiben.

Der Abstand, der Aufenthalt in Frankreich sollen Klärung bringen, doch nichts trifft ein, weder eine Aussprache zwischen Sohn und Vater noch ein Eingeständnis der Schuld. Ulrike Neulinger inszeniert in ihrer ersten Regiearbeit den Konflikt als Nicht-Dialog. Es gibt kein Gespräch, nirgends. Wo nicht geredet wird, herrscht Schweigen. Daraus läßt sich nicht unbedingt ein Film machen. Vor allem, wenn die Dialoge nur aus abgebrochenen Gesprächsanfängen, die Bilder nur aus Abgängen bestehen. Vater und Sohn laufen mal nebeneinander her, mal voreinander weg, mal auseinander.

Der Zuschauer will nur noch weg, ganz weit weg: Fort aus der Landschaft, die nur als Füllmittel dient, fort von einer Musik, die die fehlende Dramatik lärmend herbeiposaunen will, fort von einem Schweigen, das auch in der Sprachlosigkeit nichts ausdrückt. Der Film kommt über den Leerlauf der Gefühle, den er erzeugt, nicht wirklich hinaus. Zum Schluß wählt der Sohn das Exil zur neuen Heimat — sich zur homoerotischen Neigung bekennend, nicht jedoch dem Vater gegenüber. Der verschwindet im Nebel — als lebender Vorwurf. Christof Boy