Kraftpakete im Abseits

Die LangläuferInnen aus Norwegen dominierten bislang die WM-Loipen  ■ Von Gerhard Claar

Val di Fiemme (taz) — Als am Donnerstag vor einer Woche die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im Fleimstal mit einem Sieg des Schweden Gunde Svan über die 30 Kilometer (klassischer Stil) begannen, war für viele die Langlaufwelt in Ordnung, man erwartete die vorprogrammierten Favoriten auf den Medaillenplätzen. Der 29jährige Modellathlet, mit elf Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften der erfolgreichste Loipenfuchs aller Zeiten, war zwar in dieser Saison bei Weltcuprennen nicht sonderlich in Erscheinung getreten und hatte sich mit zahlreichen Erkältungen geplagt, zeigte sich nun aber auf die Sekunde in Bestform. Jelena Wialbe aus der Sowjetunion tat es ihm gleich, holte sich in souveräner Manier die Titel über 15 Kilometer klassich und 10 Kilometer im freien Stil. Alles also wie gehabt? Weit gefehlt.

Schon über 30 Kilometer der Männer hatten die Norweger durch Olvang und Langli mit den Plätzen drei und vier aufhorchen lassen, über 15 Kilometer im freien Stil stellten sie dann mit Björn Daehli den ersten Champion. Er brachte wohl die nötige Winnerstimmung ins Team, um in den nächsten Tagen drei weitere Norweger auf das höchste Treppchen zu bringen.

Am Erstaunlichsten war der Erfolg von Terje Langli, der sich auf der bei den Männern erstmals während einer WM gelaufenen 10-Kilometer-Strecke (klassisch) vor den Schweden Majbaeck und Mogren behauptete. „Mein heimliches Ziel war der Gewinn der Goldmedaille über 30 Kilometer, die ich aber klar verfehlte. Das hat meinen Ehrgeiz erst recht gepackt“, so der 26jährige aus einem Ort namens Henning, der bislang erst einen Weltcupsieg zu Buche stehen hatte.

Überraschend kam bei dieser WM-Premiere am Lago di Tesero der Absturz Gunde Svans und des im Weltcup führenden Wladimir Smirnow aus der UdSSR. Sie mußten sich mit für sie ungewohnten Plätzen, 17 und 22, begnügen. Der baumlange Thomas Wassberg, wie viele frühere Weltmeister und Olympiasieger vor Ort, meinte dazu: „Die Loipen um das Stadion del Fondo sind von den italienischen Gastgebern ausgezeichnet präpariert und harmonisch in die Landschaft eingegliedert worden. Allerdings stellen sie kräftemäßig nicht die höchsten Anforderungen. Hier dominieren die Techniker, nicht, wie beispielsweise bei Olympia in Calgary, die Kraftpakete.“ Ein Problem sieht Wassberg auch in der Vielstarterei von Svan und Smirnow: „Heute ist mehr denn je die Konzentration auf wenige Strecken und auf eine Stilart gefragt.“

Die Siegesserie der Norwegerinnen und Norweger wird jedoch durch nichts geschmälert, auch wenn sie gestern in der 4*5-Kilometer-Staffel der Frauen mit dem dritten Platz hinter der UdSSR und Italien vorliebnehmen mußten. Björn Daehli, Terje Langli und Tryde Dybendahl, die Weltmeisterin über fünf Kilometer, dazu drei ihrer Teamgefährtinnen unter den ersten Acht, haben das Langlaufimage Norwegens kräftig aufpoliert. Vor zwei Jahren gab es nur zweimal Gold in der Nordischen Kombination (Einzel und Mannschaft), und auch diesmal kam mit Fred-Börre Lundberg in dieser Disziplin ein Norweger auf Platz eins.

Was soll man bei dieser Übermacht tun, fragen sich da auch die Verantwortlichen im deutschen Lager. Ihre Erwartungen waren mit dem Gewinn einer Bronzemedaille , die der Oberwiesenthaler Jens Weißflog im Skispringen schon verbucht hat, ohnehin sehr niedrig angesetzt. Bis auf wenige Ausnahmen, Simone Opitz und Gabriele Heß bei den Frauen mit Platz 5 und 6, sowie Jochen Behle mit einen 11. Rang, lief man der Konkurrenz bislang bedächtig hinterher. Offensichtlich fehlte die gezielte Vorbereitung auf den Höhepunkt des Jahres, aber auf den anspruchsvollen Loipen in Tesero machten sich auch taktische und technische Mängel bemerkbar.

Als besonders schmerzlich wurde der vierte Platz in der Nordischen Kombination hinter den neuen Weltmeistern aus Österreich, den Franzosen und den Japanern empfunden. Während die DSV-Offiziellen die Olympiaqualifikation positiv bewerteten, griff der zweimalige Mannschaftsweltmeister Thomas Müller im Zielraum den seit Januar 1990 amtierenden Bundestrainer Konrad Winkler massiv an: „Trainings- und Wettkampfsteuerung ist für den Trainer ein Fremdwort.“ Winkler selbst war dagegen einigermaßen zufrieden: „Eine Medaille war drin, aber wir hatten schon beim Springen nicht unseren besten Tag.“

DSV-Delegationsleiter Detlef Braun fand zumindest das hervorragende Abschneiden der Norweger völlig in Ordnung: „Skilanglauf ist in Norwegen Volkssport. Da ist ein riesiges Reservoir an Klasseleuten. Da kommen auch immer wieder welche, die man gar nicht kennt und die dann die Titel und Medaillen holen. Das gibt es bei uns nicht. Bei uns dominiert der Fußball und da ist es ja ganz normal, daß wir Norwegen schlagen, oder nicht?“