Große Blonde mit kühlem Kopf

Sprinterin Krabbe bemühte sich bei der Olympischen Nacht in Berlin um ihr Image Ex-Kugelstoß-Weltrekordler Werner Günthör alias „Kugel-Werni“ ist zurück  ■ Aus Berlin Michaela Schießl

Wie lehrt uns schon Boris Becker: Das Leben eines Superstars ist ein schwieriges. Besonders wenn man, wie Katrin Krabbe, zu allem Erfolg auch noch schön ist. Die Sprinterin aus Neubrandenburg verbirgt ihre Genervtheit zwar tapfer, aber deutlich mühsam. Denn seit ihrem Dreifacherfolg bei der EM in Split wird sie auf Schritt und Tritt von Journalisten, Fotografen und Autogrammjägern bespitzelt.

So wurde das Objekt der Begierde schnell professionell. Zu schnell für manche, denn allzugerne hätte man die rührige Human-Touch-Geschichte der bodenständigen, netten DDR-Sportlerin geschrieben: Schön aber naiv oder wahlweise Ist sie nicht nett, so unbedarft, so ehrlich, so sauber. Aber Katrin Krabbe ist keine bieder-brave Heike Drechsler, keine herzliche Grit Breuer. Sie ist nicht nett. Freundlich, aber doch abweisend, kühl und auf Abstand bedacht. Sie antwortet nicht spontan, sondern kalkuliert. Wie ein Profi. Und wie ein Profi taxierte sie gleich nach Split ihren Marktwert. „Fünfstellig wird die Startgage sein“, teilte der holländische Manager Jos Hermens mit.

Schnell verging der Jubelpresse das Jubeln. Man reagierte befremdet auf die hurtige Anpassung der Ex- DDR-Sportlerin an die kapitalistische Wirklichkeit. Immer öfter wurde der „Grace Kelly der Leichtathletik“ Arroganz und Hochmut bescheinigt. Als sie sich schließlich heimlich zum Trainingslager absetzte, Kuba vorgab und auf den Bahamas landete, wurde gegenüber der Unantastbaren gar Dopingverdacht geäußert. „Ein bißchen bescheidener, Frau Krabbe“, hetzte man einstimmig, als sie für den Start in Stuttgart 30.000 Mark forderte, nicht bekam — und nicht startete. Der öffentliche Druck auf die 21jährige wurde derart stark, daß sie nun anläßlich der Olympischen Nacht in der Berliner Dynamo-Halle ihre Aufwartung machte. Zum Freundschaftspreis, wie Insider trotz des offiziellen Dementis wissen.

Die Hauptattraktion des Abends war gesichert. Kaum in der Halle, verschwand Frau Krabbe unter einem Pulk von Fotografen, tauchte erst zum Vorlauf wieder auf. Locker lief sie ihren Opfern davon, die in ihren wollenen Turnhöschen neben dem rasanten Einteiler der hochgewachsenen Diva wie aus dem Schulteam gegriffen wirkten. Ernst wurde es erst im Endlauf. Krabbe-Freundin Grit Breuer, die sich Tage vorher ein knappes 200-Meter-Rennen mit Merlene Ottey geliefert hatte, und die amerikanische Meisterin Michelle Finn galt es zu schlagen. Trotz eines lahmen Starts fing Krabbe die Amerikanerin auf den letzten zehn der 50 Meter noch ab und blieb mit 6,15 Sekunden nur 4 Hundertstel unter dem Weltrekord von Marita Koch aus dem Jahre 1980.

Auf die sportliche Pflichterfüllung folgte die Publicity: Frau Krabbe lobte die Veranstaltung, das temperamentvolle Publikum und diktierte: „Hier bin ich zu Hause.“ In Wahrheit war das Sportfest nur zur Hälfte ausverkauft, hatte viel zu viel Leerlauf, das Publikum war gelinde gesagt sparsam mit Klatschen und die Stimmung in der Legoland-kleinen Halle trotz hochkarätiger Sportler einschläfernd. Doch Frau Krabbe hatte ihre Lektion gelernt. Es war also schön, sie sei rundum sehr zufrieden. Nur die Fotografen solle man ihr vom Halse halten. „Ich kann mich nicht konzentrieren.“

Trainer Thomas Springstein: „Sie wäre noch viel besser, wenn man sie in Ruhe ließe.“ Krabbes Überlegenheit begründet er mit der Kontinuität: „Sie war seit Jahren praktisch verletzungsfrei und trainiert durchgehend.“ Ob das bei ihrem Pensum so bleiben wird, ist fraglich. Nächste Station ist die Deutsche Meisterschaft am kommenden Wochenende in Dortmund, dann geht's nach Stockholm und Karlsruhe. Das Programm macht der Manager. Und zum dem halte sie, „weil sie beide noch Fehler machen und gemeinsam lernen können“. An eine Trennung von dem umstrittenen Hermens denke sie nicht. Und wenn, dann erfahrt ihr es als letzte, sagt ihr Blick. Katrin Krabbe hat das Spiel begriffen, sie ist vorsichtig geworden.

Völlig angstfrei und mit der gewaltigen Ausstrahlung des Siegers kehrte ein anderer in den erlauchten Zirkel der Topathleten zurück: der ehemalige Kugelstoß-Weltmeister Werner Günthör. Nach mehreren Bandscheibenoperationen hatte keiner mehr mit „Kugel-Werni“ aus der Schweiz gerechnet. Doch der hatte heimlich geübt: Mit neuer Schnelligkeit stemmte der langhaarige Schnauzbartträger die Kugel vor dem ungläubig zuschauenden Olympiasieger Ulf Timmermann auf die Jahresweltbestleistung von 21,49 Meter. Goliathartig hob er die Arme über seinen Zwei-Meter-Body und bekundete in bezirzendem Schwizerdütsch sein Glück. „Doch gut, daß ich Kugeln stoße“, brummte der kurzzeitig aufs Bobanschieben spezialisierte Muskelprotz. Im Eiskanal gegen Edwin Moses antreten wolle er nach dieser Leistung nicht mehr, Ehrenwort.

Frauen: 3.000 m: Duros (Frankreich) 8:53,94 Min.; 1.000 m: Chidu 2:42,31 (Rumänien), Hochsprung: Balck (Schwerin) 1,93; 50 m Hürden: Siebert (Cottbus) 6,95, Weitsprung: Drechsler (Jena) 7,06.

Männer:3.000 m: Herwig (Berlin) 8:07,23 Min.; Dreisprung: Melikow 16,96 m; 50 m Hürden: McKoy (Kanada) 6,42 Sek.; 50 m: Floyd (USA) 5,77, Stabhochsprung: Lessow (Bulgarien) 5,40