Endspurt zum bayerischen Volksentscheid

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof gibt BI recht/ CSU schießt bis zum Schluß quer/ Bayerische Ärzte werden diffamiert  ■ Von Luitgard Koch

München (taz) — Der Countdown läuft. Am Sonntag ist es soweit: Volksentscheid in Bayern zur Müllpolitik. Noch kurz vor Torschluß sorgte ein Richterspruch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für nötige Klarheit. Die Richter klopften den Gemeinden auf die Finger, die ihre Neutralitätspflicht verletzten und in ihren Amtsblättern Propaganda für den Gesetzentwurf des Landtags machten. Wahlempfehlungen zum Volksentscheid sind unzulässig, stellte das Gericht fest. Außerdem erklärten die Richter, daß Verwaltungsgerichte durchaus für solche Rechtsstreitigkeiten zuständig sind. Das Würzburger Verwaltungsgericht hatte sich nämlich bei einer diesbezüglichen Klage der Bürgeraktion „Das bessere Müllkonzept“ kurzerhand für nicht zuständig erklärt. Juristisch hat die Bürgeraktion also schon obsiegt.

Bis zur letzten Minute versucht die CSU nun, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln den politischen Sieg der bayernweiten Bürgeraktion „Das bessere Müllkonzept“ und damit die Wende in der Abfallentsorgung zu verhindern. So forderte der treue CSU-Vasall und Präsident des bayerischen Bauernverbandes, Gustav Sühler, die Mitglieder auf, für den Gesetzentwurf des Landtags und gegen das Konzept der BI zu stimmen.

„Möglicherweise ist es noch nicht bis zur Spitze des bayerischen Bauernverbandes durchgedrungen, daß in Holland im Umfeld von Müllverbrennungsanlagen landwirtschaftliche Produktion unmöglich wurde“, vermutet Sepp Bichler von der bayerischen Agraropposition ironisch. Gerade die Landwirte müßten doch unbedingt den BI-Entwurf unterstützen, der sich vehement gegen Müllverbrennung ausspricht. „Wer den weiteren Ausbau von Müllverbrennungsanlagen unterstützt, beteiligt sich an der schleichenden Enteignung der Landwirtschaft“, betont Bichler.

In letzter Minute will die CSU auch die bayerische Ärzteschaft auf ihre Seite ziehen. Ein Großteil der bayerischen Ärzte hatte sich nämlich gegen Müllverbrennung und somit für das Konzept der Bürgeraktion ausgesprochen. Aus gesundheitspolitischen Überlegungen sei eine Müllverbrennung mit technisch hohem Standard der Deponierung vorzuziehen, beschwor der CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Alois Glück, in einem Brief an die 63 Kreisverbände der Ärztekammer. Der CSU-Landtagsabgeordnete Eberhard Sinner versuchte es mit dem Holzhammer. Er verlangte vom Präsidenten der Landesärztekammer, Hans Hege, ultimativ eine Stellungnahme noch vor dem Volksentscheid. Diese CSU-Kampagne bezeichnete Franz Tschacha vom Vorstand der Bürgeraktion als Skandal.

„Nach dem Scheitern von zwei Volksabstimmungen zum Umweltschutz in einigen US-Bundesstaaten im vergangenen Jahr hofft die weltweite Koalition der Umweltschützer jetzt verstärkt auf einen Erfolg beim Volksentscheid in Bayern“, erklärte der Deutsche Naturschutzring (DNR). Die bayerischen WählerInnen sollen vom Süden der Republik aus den Startpunkt für einen zukunftsgerechten Umgang mit Produkten und den Einstieg in die Müllvermeidung setzen, hofft der Bundesverband für Umweltschutz. Das deutsche Vorstandsmitglied im Europäischen Umweltbüro in Brüssel, Helmut Röscheisen, bezeichnete das Konzept der Bürgeraktion als „bahnbrechend und beispielhaft für ganz Europa“.