Auf ein Neues in Sarajewo!

Kein Durchbruch bei den Spitzengesprächen über die Zukunft Jugoslawiens/ Die EG für Erhalt der Union  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Nach einer 19stündigen Mammutdebatte haben in der Nacht auf Donnerstag die jugoslawischen Spitzenpolitiker und hohen Militärs ihre vierte Krisensitzung erneut vertagt, ohne daß man einem neuen „Unionsvertrag“ einen Schritt näher gekommen wäre. Sichtbarstes Ergebnis sei, daß man nun statt im orthodoxen serbischen Belgrad am 25.Februar im bosnisch-muslimischen Sarajevo sein Glück versuchen werde, witzelte gestern die bosnische Zeitung 'Oslobodjenje‘. In ersten Stellungnahmen gab es gestern nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Die Armee bleibt dabei, daß vor allem Kroatien die „illegale Bewaffnung“ seiner paramilitärischen Sondereinheiten rückgängig machen müsse. Kroatien, Slowenien und Mazedonien pochen weiterhin auf ihre Eigenstaatlichkeit, während Serbien und Montenegro mehr oder weniger am Status quo festhalten. Bosnien, das zwischen den Mühlsteinen der sich bekämpfenden Republiken zerrieben zu werden droht, zieht es vor, keine Stellung zu beziehen.

In Ljubljana, Zagreb und erst recht in Skopje sind interne Streitigkeiten im Gange, die eine „einheitliche Front“ gegen die Belgrader Zentralregierung und die dogmatische Armeespitze verhindern. Berichte des slowenischen Regierungsblattes zeigen beispielsweise, daß man in Ljubljana innerhalb der Koalition uneins ist, welchem „Bündnispartner“ man sich künftig anvertrauen solle, Österreich oder der Republik Kroatien. Ließ Verteidigungsminister Jansa am Dienstag im 'Delo‘ verlauten, man habe mit Kroatien ein Verteidigungsabkommen geschlossen und man strebe eine Konföderation mit Kroatien an, dementierte gestern das gleiche Blatt diese Absicht. Ministerpräsident Jože Pućnik gab sich entschlossen: „Wir streben ein souveränes Slowenien an, wenn Zagreb das gleiche anstrebt, dann ist das seine Sache.“ Nicht allen Slowenen behagt andererseits die kürzlich ausgebrochene Diskussion über den künftigen Status Sloweniens: unabhängiger Kleinstaat wie Liechtenstein, Freistaat oder nur neues Bundesland Österreichs?

In Zagreb und Skopje kursiert die Angst, Europa werde jede Unterstützung auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit verweigern. Die 'Nova Makedonia‘ aus Skopje kritisierte gestern, daß Bundeskanzler Kohl vor zwei Tagen an den jugoslawischen Premier Markovic geschrieben habe, um gerade „diesem Zentralisten“ seine Unterstützung bei dem Versuch zu versichern, Jugoslawien in eine moderne Demokratie umzuwandeln. Die Sorgen im Unabhängigkeitslager sind nicht unberechtigt. Erklärte doch der für den Mittelmeerraum zuständige EG-Kommissar Abel Matutes am Donnerstag, die EG hoffe, daß Jugoslawien in seinen jetzigen Grenzen erhalten bleibe.