Prozeß gegen Winnie Mandela vertagt

Ein Belastungszeuge gegen die Frau des ANC-Führers ist angeblich entführt worden, die beiden anderen fürchten um ihr Leben/ Seltsame Ereignisse am Rande des Verfahrens/ Winnie Mandela bestreitet Vorwürfe, Nelson wehrt sich gegen Vorverurteilung  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Das Verfahren wegen Entführung und Körperverletzung gegen Winnie Mandela und drei weitere Angeklagte wurde am Donnerstag in Johannesburg bis zum 6.März vertagt. Dies soll der Anklage Zeit geben, einen am Sonntag angeblich entführten Belastungszeugen zu finden. Aufgrund der angeblichen Entführung des Zeugen Pello Mekwe hatten sich am Dienstag die beiden anderen Hauptbelastungszeugen, Kenneth Kgase (31) und Thabiso Mono (21), aus Angst vor Verfolgung geweigert, vor Gericht auszusagen. Der Vorsitzende Richter entschied am Donnerstag, daß die Aussageverweigerung der beiden Zeugen nicht gerechtfertigt sei und daß sie zu Beugehaft verurteilt werden müßten. Die Verhängung von Beugehaft wurde jedoch auch bis zum 6.März verschoben.

Der Frau von Nelson Mandela, dem Vizepräsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), und ihren Mitangeklagten, John Morgan, Nompumelelo Falati und Xoliswa Falati, wird vorgeworfen, im Dezember 1988 Mekwe, Kgase und Mono zusammen mit dem 14jährigen Stompie Seipei aus einem methodistischen Pfarrhaus in Soweto entführt zu haben. Danach sollen sie die Entführten im Haus von Mandela mißhandelt haben. Die vier Angeklagten haben am Montag vor Gericht formal ihre Schuld geleugnet.

In einer schriftlichen Erklärung zur Anklageschrift äußerte Winnie Mandela, daß die Jugendlichen Xoliswa Falati zufolge von dem methodistischen Pfarrer Paul Verryn sexuell mißbraucht worden seien. Die Jugendlichen seien zu einer Zeit in ihr Haus gebracht worden, zu der sie nicht in Johannesburg war, „um die Verbreitung homosexueller Praktiken zu verhindern“. „Ich habe niemanden körperlich verletzt, niemand wurde in meiner Gegenwart körperlich verletzt und ich habe Körperverletzung nicht unterstützt“, sagte Winnie Mandela.

Seipei wurde Anfang Januar 1989 von einem Mitarbeiter von Mandela, Jerry Richardson, aus dem Mandela- Haus entfernt und ermordet. Richardson wurde im August letzten Jahres für den Mord zum Tode verurteilt.

Seit Beginn des Verfahrens gegen Winnie Mandela am 4.Februar haben sich höchst ungewöhnliche Entwicklungen aneinandergereiht. Vier weitere Mitangeklagte, die auf Kaution freigelassen worden waren, erschienen nicht vor Gericht. Die südafrikanische Sonntagszeitung 'Sunday Times‘ berichtete jedoch, daß einer der „verschwundenen“ Mitangeklagten, Katiza Cebekhulu, am Eröffnungstag des Verfahrens im Zuschauerraum saß. Die Zeitung veröffentlichte ein Foto von Cebekhulu auf der Treppe des Gerichtsgebäudes. Trotzdem konnte die Polizei Cebekhulu und die anderen flüchtigen Mitangeklagten bisher nicht verhaften.

Dann folgte am Montag die dramatische Ankündigung, daß der Belastungszeuge Pello Mekwe am Abend zuvor von Unbekannten aus demselben Pfarrhaus in Soweto, aus dem er Ende 1988 gekidnappt worden war, erneut verschleppt worden sei. Mekwe hatte vorher in einem „sicheren Haus“ in Johannesburg gewohnt, verpaßte aber nach einem Aufenthalt in seinem Heimatort eine Mitfahrgelegenheit zurück zu diesem „sicheren Haus“. Deshalb ging er in das Pfarrhaus in Soweto, einen der wenigen Orte in Johannesburg, den er kannte.

Die Johannesburger Tageszeitung 'The Star‘ berichtete am Dienstag, daß „ein führendes Mitglied des ANC“ an der angeblichen Entführung von Mekwe beteiligt gewesen sei. „Der ANC dementiert jegliche Unterstellung, daß er als Organisation etwas mit dem Verschwinden von Mekwe zu tun hat“, erklärte daraufhin der ANC. „Das Recht sollte seinen Gang gehen ohne jegliche Einmischung.“ Der ANC werde den Fall jedoch untersuchen, hieß es.

Winnie Mandelas Rechtsanwalt, George Bizos, betonte vor Gericht, daß seine Mandantin mit den Entführungsversuchen nichts zu tun habe und griff die Presse scharf an für die angebliche Vorverurteilung der Angeklagten. Der Richter forderte die Presse daraufhin auf, keine Berichte zu veröffentlichen, die das Ergebnis des Verfahrens beeinflußen könnten.

Kgase und Mono sagten am Mittwoch, daß sie aufgrund des Veschwindens von Mekwe um ihr Leben fürchteten. „Meine Verpflichtung, vor Gericht auszusagen, ist mir wichtig“, sagte Kgase, „aber ich liebe mein Leben. Ich will leben.“ Kgase und Mono sagten beide, daß sie für den Verlauf des Verfahrens in Sicherheit seien. Aber sie machten sich Sorgen, daß sie im Fall einer Aussage gegen Winnie Mandela für den Rest ihres Lebens Vergeltungsangriffe befürchten müßten. „Niemand kann dich ein Leben lang schützen“, sagte Kgase. Beide meinten andererseits, daß sie aussagen würden, wenn Mekwe wieder auftauchen und ebenfalls zur Aussage bereit sein sollte.

Die Staatsanwaltschaft hat deutlich gemacht, daß ihr Verfahren sich vollkommen auf die Aussagen von Mekwe, Kgase und Mono gründet. Ohne diese Zeugen müßte das Verfahren gegen Winnie Mandela und die anderen eingestellt werden.

Das Verfahren stößt auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. An jedem Verhandlungstag haben sich Hunderte von Mandela-UnterstützerInnen vor dem Gerichtsgebäude in Johannesburg versammelt. Wiederholt ist es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen.

Winnie Mandela ist allerdings auch innerhalb des ANC umstritten. Mehrere ANC-Ortsverbände haben gegen ihre Anstellung als Leiterin der ANC-Wohlfahrtsabteilung protestiert. Die ANC-Exekutive spricht andererseits von einem politischen Verfahren gegen Winnie Mandela und hat ihr volle Unterstützung zugesagt.

Nelson Mandela, selbst Rechtsanwalt, hat wiederholt das Recht seiner Frau reklamiert, sich vor Gericht zu verteidigen. „Wir zögern nicht, an ihre Unschuld zu glauben“, sagte Nelson Mandela letzte Woche vor der Presse. Auf die Frage, ob es nicht besser sei, Winnie Mandela bis zum Ablauf des Verfahrens von ihren Posten zu suspendieren, reagierte Mandela ungehalten: „Das wäre, als ob sie für schuldig befunden wird, bevor das Verfahren abgeschlossen ist.“