„Verbot von Rüstungsexporten muß ins Grundgesetz aufgenommen werden“

■ Norbert Gansel, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, zur Verschärfung der Rüstungsexportkontrollen, zur Bundeswehrbeteiligung an UNO-Missionen und zur Rüstungskonversion INTERVIEW

taz: Herr Gansel, die Bundesregierung hat wegen der illegalen Rüstungsexporte eine Verschärfung der Kontrollen angekündigt. Die Strafrechtsbestimmungen sollen verschärft werden, ein Ausfuhramt soll eingerichtet werden, und das noch zu gründende Zollkriminalamt soll mit Geheimdienstmethoden den Waffenschiebern auf die Schliche kommen. Greifen denn diese Maßnahmen?

Norbert Gansel: Die Maßnahmen kommen zu spät. Die Bundesregierung geht jetzt zwar in die richtige Richtung und greift dabei auch Forderungen auf, die SPD und die Grünen schon vor Jahren aufgestellt haben, aber die Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend.

Was müßte denn gemacht werden, um illegale Rüstungesexporte zu verhindern?

Am wichtigsten: Das Klima muß sich ändern. Illegale Rüstungsexporte dürfen nicht weiter als Kavaliersdelikte betrachtet werden. Auch mit der Praxis der augenzwinkernden Kontrolle muß Schluß gemacht werden. Zwei Ansatzpunkte sind dazu notwendig. Zum einen brauchen wir im Grundgesetz ein Verbot der Rüstungsexporte in Länder außerhalb der Nato, zum zweiten muß die soziale Kontrolle verstärkt werden. Das heißt, beim Verdacht auf illegale Waffengeschäfte müssen die Mitarbeiter der Bundesregierung einer Anzeigepflicht unterliegen. Es muß auch eine arbeitsrechtliche Schutzklausel für die Arbeitnehmer geben, die die zuständigen Behörden über Verdachtsfälle informieren. Die Bundesregierung könnte die Ernsthaftigkeit ihrer Wende in der Rüstungsexportkontrolle auch dadurch unter Beweis stellen, daß sie den Journalisten und Vertretern der Friedensbewegung, die seit Jahren die Exportskandale aufgedeckt haben, das Bundesverdienstkreuz verleiht — ehrlich.

Skrupellose Waffenschieber und Miterbauer von Giftgasfabriken werden doch kaum dadurch abgeschreckt, daß man ihnen sagt, ab sofort drohen dir zehn statt drei Jahre Freiheitsstrafe?

Eine höhere Strafandrohung ist schon ein Beitrag zur Veränderung des Klimas. Eine präventive Wirkung kann sie aber nur erzielen, wenn abgeschreckt, wenn überhaupt bestraft wird. Deshalb ist als weiteres Element der sozialen Kontrolle wichtig, die Verpflichtung der Gerichte, ihre Urteile bei Rüstungsexporten vollständig zu veröffentlichen. Es darf nicht sein, daß für illegale Rüstungsgeschäfte das Privileg des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses gilt. Ich erinnere nur an den Beschluß des Kieler Landgerichtes in der U-Boot-Affäre, das den Bruch des UNO-Embargos gegen Südafrika als Ordnungswidrigkeit eingestuft und diesen Beschluß gleichzeitig für geheim erklärt hat.

Die großen Gewinne gibt es aber nicht bei den illegalen, sondern den legalen Exporten. Die IG Metall hat deswegen eine weitreichende Konversion für den gesamten Rüstungsbereich gefordert.

Auch der legale Rüstungsexport in die Dritte Welt, in Krisengebiete und an Diktaturen muß drastisch reduziert und nach unseren Vorstellungen gänzlich abgeschafft werden. Ebenso müssen die Begriffe „Kriegswaffe“, „Rüstungsgut“ und „militärisches Fachwissen“ weitergefaßt und präzisiert werden. Beides zusammen ist die Voraussetzung für eine Rüstungskonversion. Die Industrie muß wissen, was sie darf und was nicht. Darüber hinaus sind flankierende staatliche Maßnahmen erforderlich, um die Rüstungsexportindustrie zu einer Umstellung auf zivile Märkte zu zwingen. Arbeitsplätze dürfen nie wieder gegen die Rüstungsexportkontrolle ausgespielt werden. Die IG Metall hat da in der Vergangenheit eine tapfere Linie gehalten. Und es ist gut, daß sie gerade jetzt dieser Linie verpflichtet bleibt.

Wie sollten solche flankierenden Maßnahmen aussehen?

Ich denke an finanzielle Hilfen zur Produktentwicklung und zur Erschließung neuer Märkte. Der Skandal ist, daß im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik über vier Milliarden Mark allein für die Rüstungsforschung ausgegeben wurden. Schließlich ist zu überlegen, ob die Betriebe in der Anlaufphase einer Konversion bei der öffentlichen Auftragsvergabe besonders bevorzugt werden können. Ich kann mir auch vorstellen, daß umstellungsbereite Rüstungsbetriebe Aufträge für umweltschonende Industrieproduktionen auch im Bereich der Entwicklungshilfe erhalten. Das berührt zwar ein altes linkes Tabu — „keine Entwicklungshilfe mit Auflagen“ —, und die Lieferung von Waren anstelle von Geld ist wohl die stärkste Auflage, aber mit einer Politik, die den Entwicklungsländern auch noch finanziell den Rücken stärkt, die durch interne Haushaltsverschiebungen der Rüstung den Vorrang vor Entwicklung geben, muß Schluß gemacht werden.

Wegen der Verwicklung deutscher Firmen in die Raketenproduktion des Iraks hat die Fraktion von Bündnis90/Grüne einen Untersuchungsausschuß des Bundestages gefordert. Dem Bündnis fehlt es aber an den nötigen Stimmen, um den Ausschuß durchzusetzen. Wird die SPD den Antrag unterstützen?

Wir gönnen der Bundesregierung jetzt nicht den Zeitgewinn der formalen Streitigkeiten um die Einsetzung eines Ausschusses. Wir wollen als erstes den von ihr zugesagten Bericht über die Verwicklung deutscher Firmen in die Aufrüstung des Iraks und über die Versäumnisse der Bundesregierung. Als zweites wollen wir die konkreten Gesetzesanträge auf dem Tisch sehen. Wir werden dann entscheiden, ob ein parlamentarischer Ausschuß notwendig ist.

In den letzten Tagen haben auch Mitglieder ihrer Partei, etwa der frühere Luftwaffengeneral Manfred Opel, die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht gefordert und einer Berufsarmee das Wort geredet.

Ich halte von dieser Diskussion im gegenwärtigen Augenblick gar nichts. Sie lenkt vom Versagen der Bundesregierung in der Nahost-Politik ab. Im übrigen trägt die Wehrpflicht und die gesellschaftliche Integration der Bundeswehr zur Zeit sichtbar dazu bei, daß es in der Bundeswehr, anders als etwa in den britischen Streitkräften, keine Kriegsstimmung gibt. Das ist etwas Positives.

Die SPD hat sich — gegen Ihren ausdrücklichen Willen — mit Parteitagsbeschluß gegen eine Beteiligung der Bundeswehr an „UNO-Friedensmissionen“ festgelegt. Jetzt wird von allen Seiten eine Grundgesetzänderung mit eben dem Ziel einer Beteiligung gefordert. Hat die SPD ihre Position geändert?

Der Entscheidungsprozeß in der SPD ist offen. Das vereinigte Deutschland muß seine weltpolitische Rolle so oder so neu bestimmen. Für mich rangiert die Konfliktverhinderung vor der Konfliktlösung. Wo Gewalt zur Konfliktlösung aber unvermeidbar ist, bin ich für die volle Verantwortung der UNO. Eine Stärkung der UNO bedeutet aber auch eine Verpflichtung für die Bundesrepublik. Meine Meinung ist seit 1988 bekannt: Ich bin für eine klare Beschränkung der Nato auf die Verteidigung und auf ihr Territorium. Das heißt, es darf keine „Out-of- area-Einsätze“ geben. Einzelne Einheiten der Bundeswehr sollten aber als „Blauhelme“ der UNO oder unter dem Kommando des Generalstabes der UNO eingesetzt werden können. Diese Fälle sind aber deutlich von der gegenwärtigen UNO-Aktion unter der Führung einer Supermacht und auf der Grundlage von Sicherheitsratsbeschlüssen zu unterscheiden. Für solche Bundeswehreinsätze wäre eine besonders ausgebildete und ausgerüstete Einheit erforderlich, an der Wehrpflichtige nicht beteiligt werden sollten. Ihr Einsatz müßte auch von einer qualifizierten Mehrheit des Bundestages abhängig gemacht werden.

Das alles ist nur zu verantworten, wenn in das Grundgesetz ein Rüstungsexportverbot aufgenommen wird. Deutsche Soldaten dürfen nicht auslöffeln, was deutsche Rüstungsexporteure eingebrockt haben. Interview: Wolfgang Gast