Genscher kehrt zufrieden zurück

Hauptaufgabe der Nahostreise erledigt: Außenminister Genscher konnte Image vom deutschen Drückeberger zum Friedensarchitekten aufpolieren  ■ Aus Amman F. Forudastan

Hans-Dietrich Genscher wollte nicht genau werden — und tat es auch nicht. Ein paar Bröckchen Spekulationen servierte der deutsche Außenminister den mitgereisten JournalistInnen am Mittwoch so raffiniert, daß sie nach reifer Nachricht schmeckten: „Ich habe den Eindruck, daß Syrien bereit ist, im Rahmen einer Nahost-Regelung das Existenzrecht Israels anzuerkennen.“ Und: Das habe zwar wörtlich so niemand gesagt, aber gemeint. Mehr wußte Genscher, mit bedeutungsvoller Miene und aus einem tiefen Ledersofa heraus kunstvoll inszeniert, nach dem Gespräch mit seinem syrischen Amtskollegen nicht zu berichten.

Es reichte dennoch, vor allem den Nachrichtenagenturen, die Meldung um die Welt zu schicken: Syrien erkennt Israel an. Daß der syrische Staatspräsident dies am Morgen danach quasi dementierte, störte Genscher offenbar nicht. Auch die israelische Regierung gab am Donnerstag zu erkennen, daß sie diese positive Einschätzung Genschers nicht teilt. „Es gibt eine Änderung im Tun, nicht aber im Inhalt“, betonte der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Schamir.

Der deutsche Außenminister hat dennoch erreicht, was er wollte: Der Versuch, seiner Reise durch Ägypten, Syrien und Jordanien schwerwiegendes politisches Gewicht zu verleihen, war somit gelungen. Und so schien Genscher während des Fluges am Donnerstag optimistischer denn je auf dieser Reise. War er während der vorhergehenden Flüge immer nur kurz in seiner Kabine geblieben, um etwa über seine Heimatstadt Halle zu scherzen, so wandelte er gestern morgen vor seinem Weiterflug in die jordanische Hauptstadt frohgemut zwischen den Sitzreihen, neckte die „großen Leitartikler“ und gab an. „Diese Reise hat sich wirklich gelohnt.“

Es wird eine deutsch-ägyptische Kommission gebildet. Es wird eine deutsch-syrische Kommission gebildet. Es wird eine deutsch-jordanische Kommission gebildet. Auch wenn man sich noch so bemüht: mehr an konkreten Ergebnissen hat Genschers Stippvisite in Kairo, Damaskus und Amman an Ergebnissen nicht gebracht. Abzuwarten bleibt, ob sie dem deutschen Außenminister bringt, was er sich von ihr erhofft: Gesundung seines angeschlagenen Images im westlichen Bündnis und innerhalb der Bonner Regierungskoalition. Seit Wochen beuteln englische, amerikanische, israelische Politiker, ausländische Medien, die CSU und seit kurzem auch die CDU Genscher mit ihrer harschen Kritik. Orientierungslos und unentschlossen habe er in der Golfkrise agiert: Er sei für die westliche Allianz nicht verläßlich gewesen, er betreibe nur Scheckbuchdiplomatie, während andere Nationen die Köpfe ihrer Soldaten hinhielten.

Kurz bevor Außenminister Genscher in den prächtigen Palast von Jordaniens König Hussein schritt, hatten AmmanerInnen gegen die jüngste Bombardierung irakischer Zivilisten demonstriert. Überall in der Stadt, die 330 km vom Krieg entfernt ist, wehten schwarze Flaggen, König Hussein hat eine dreitägige Staatstrauer verhängt, für das Massaker am Tage zuvor. Unter riesigen Bildern von Syriens Präsident Assad erzählten Diplomaten vom wachsenden Unmut der syrischen Bevölkerung gegen ihren Diktator, der mit dem Erzfeind USA gegen einen arabischen Bruder kämpft. Mit jeder neuen Demutsgeste an die Adresse der USA wackelt der Stuhl von Ägyptens Staatspräsident Hosni Mubarak etwas mehr.

Es war also eine schwere Aufgabe, die sich Genscher für seinen Besuch gestellt hatte: demonstrieren, daß der Deutsche auch ohne Waffen in der eigenen Hand am Golfkrieg mitkämpft, der Allianz fest zur Seite steht, den Israelis mit Waffen wohl und den Arabern trotzdem nicht wehe ist. Nach seinem eigenen Verständnis hat Genscher diese Aufgabe wohl bestanden: Mit jeweils 150 Millionen Mark für Kairo und Amman und 100 Millionen Mark an Damaskus sowie der Zusage ein paar alter Spürpanzer aus NVA-Beständen für Ägypten im Reisegepäck. Einigermaßen beruhigt wurde denn auch festgestellt, daß diesmal in keiner der drei Hauptstädte die in allen anderen Fällen so heftig kritisierten Waffenlieferungen an Israel Gegenstand der Gespräche wurden.

Vor allem aber versuchte Genscher, sich ein neues Image zu schaffen — das vom Architekten eines nahöstlichen Friedens, freilich nach dem Krieg. „Friedensverhandlungen“, „Friedenskonferenz“, „Friedensstrukturen“, — bei jedem seiner öffentlichen Auftritte streute der deutsche Außenminister diese Begriffe nach Kräften. Daß jedenfalls die Deutschen kaum Konkretes damit verbinden, konnte Genscher indes nicht verbergen. Klar war nach den Gesprächen mit Ägyptens Mubarak, Syriens Assad, und Jordaniens Hussein lediglich soviel: Deutschland wird die drei Länder bei dem Versuch unterstützen, nach dem Krieg ein „kollektives Sicherheitssystem“ in der Region zu installieren. Es heißt gut, daß Kairo, Riad, und Damaskus die Achse einer solchen Machtordnung werden wollen: In der dann Ägypten Streit- und Arbeitskräfte stellt, Saudi-Arabien das Geld beibringt und Syrien dies alles politisch stützt. All dies sprach Genscher freilich nur vage an. „Wir begrüßen es, daß Ägypten nicht nur jetzt, sondern auch nach dem Krieg eine entscheidende Rolle spielen wird, sagte der Außenminister etwa. Man sei beeindruckt von den klaren Vorstellungen der Ägypter. Eine „Komposition arabischer Staaten“ sei sehr sinnvoll. In all diesen Fragen stimmten, so Genscher, Ägypten, Syrien und Jordanien substantiell überein...

Sagte Genscher schon kaum Konkretes über diese anvisierte neue Friedensordnung, so erwähnte er nicht einmal, auf welche Widrigkeiten ein solches Modell in der Region stoßen wird. Etwa, daß das Machtvolumen, das der zerschlagene Irak hinterlassen wird, Iran und die Türkei locken könnte. Daß der jordanische Königsthron wackelt, die saudischen Herrscher ausgedient haben, Marokkos und Algeriens Regierungen sehr instabil sind...

So hilflos wie überheblich nahm es sich aus, was Genscher von dem angeblich erwarteten und gewünschten großen Beitrag der Deutschen zu dieser Nachkriegsordnung sagte: Man könne Erfahrungen aus dem KSZE-Prozeß und den 2+4-Verhandlungen einbringen, man könne die betroffenen Länder davon überzeugen, „daß es möglch ist, Mißtrauen durch Vertrauen abzubauen“.

Eines freilich gelang Hans-Dietrich Genscher im Nahen Osten. Er verbannte den brutalen Krieg, ohne ihn zu kritisieren: indem er ihn praktisch nicht erwähnte. Indem er knapp und nur auf Nachfrage vom Wunsch der Syrer und Ägypter berichtete, das irakische Potential vollends zu zerschlagen, indem er zuletzt in Amman auf Kronprinz Hassans Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand überhaupt nicht einging.