Neu im Kino: "Affengeil" mit Lotti Huber Superstar

■ Schule der Dame

Ein eitles Dummerchen, lebenslänglich pubertär. Seine Fragen an den Star wirken wie eine Notbremse und blockieren die Antworten. Rosa von Praunheim (ca. 40) hat einen Film über Lotti Huber (78) gemacht. Und den Fehler begangen, daß er selbst darin auftritt, nicht zu knapp. Ein einziges Ärgernis, aber er darf seinen Kopf neben den Lottis legen zum Interview, weil die beiden seit zehn Jahren befreundet sind und Rosa Lotti groß gemacht hat (mit den Filmen „Unsere Leichen leben noch“, „Anita — Tänze des Lasters“). Wenn die geneigte Leserin jetzt vermutet, der Rezensent sei eifersüchtig, kann ich das schwer dementieren.

„Affengeil“ ist ein Film für Leute, die den Zeiten der Superstars nachtrauern, die völlig unaufgeklärt anbeten wollen, die bereit sind, schaudernd jede Entgleisung des Stars zu vergolden; für Leute, die von der schrillsten Anekdote des Vergötterten in Verzückung versetzt und vom glitzernden Fummel in Ekstase getrieben werden. Außerdem war Lotti Huber im KZ.

Lotti Huber ist Jüdin und machte sich 1937 der „Rassenschande schuldig“, was für ihren Geliebten tödlich ausging; sie kam knapp davon, wurde Tänzerin in Palästina, trat vor dem ägyptischen König auf, heiratete verschiedene englische Offiziere, eröffnete in Berlin eine „Schule der Dame“, leitete eine Gruppe für Ausdruckstanz. Mit 60 stand sie plötzlich mittellos da, schlug sich durch, machte Werbeverkauf für Jägermeister und spielte in Statistenrollen. Bis sie an Rosa von Praunheim kam. Der erkannte: Lotti ist die Schau.

„Affengeil“ erzählt ihr Leben nach, geht (mit Videokamera, fällt aber kaum auf) mit ihr an ihre wichtigen Plätze. Und Lotti erzählt. Aber wie! Un-glaublich ist ihr Leben, wissen Sie, man war ja damals..., und sie klappert mit den ewig langen Wimpern, reißt die Augen auf, wirft den überaus behaarten Kopf in den Nacken, und überall hängen gigantische Klunker, und hin und wieder muß ihr befohlen werden, die Hände aus der Kamera zu nehmen, so toben sie durchs Bild. Ein coup de foudre, war das, ihre Defloration, und danach war sie Frau, FRAU! Ihre Tanzausbildung, mein Gott: „Schöpfen — Streuen — Schöpfen - Streuen ...“, lernten die Elevinnen, aber wollte sie das? NEIN, das war vorbei, „man wollte das Leben IN THE ROAR zeigen!“

Als Baby ein „Fettball“, war sie — man blättert im Fotoalbum - später eine atemberaubende Schönheit; die Schönheit bahnt sich heute den Weg durch reichlich Speck, atemberaubend ist sie noch. Die Frau ist ein vitaler Ausbund. Über Nazis, Altern, Sterben spricht sie ungern.

Brahms, Sibelius, meditative Klangteppiche und alles, was 3/4 Takte hat: Lotti Huber largo, troppo majestoso, romantisch, tragisch, außer sich. Ist Lotti Huber ordinär? Diese Rolle überläßt sie — seine eigentliche Funktion im Film — ganz ihrem jünger ego Rosa, und die Szene, in der ihr einer zwischen den Beinen fummelt, will sie voller Entrüstung schneiden (bleibt natürlich doch drin).

Nein, Lotti hat eine Message: Hört her, Frauen, der Platz sei zwischen Hure und Ehefrau; nicht Schlingpflanze sein, wenn's nicht mehr stimmt in der Beziehung: bewegt euch! Volldampffrau sein! Nachdenken könnt ihr nach dem Tod! Kurz: „Das Leben ist wie eine Gurke, mal hat man's in der Hand und mal im Gesäß.“ Leider hat sie eine Katze. Und ich bin Allergiker. Bus

Im Cinema, 20.45 Uhr