»Bonn muß sich zu seinen Pflichten bekennen«

■ In einem taz-Interview fordert Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) Erhöhungen von Mineralöl- und Mehrwertsteuer

taz: Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder und Berlins Regierender Bürgermeister haben von der Bundesregierung Steuererhöhungen gefordert. Walter Momper hat neben höheren Sätzen für Mehrwert- und Mineralölsteuer eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende vorgeschlagen. Welche Steuern sollten Ihrer Meinung nach erhöht werden?

Elmar Pieroth: Es ehrt Herrn Momper, wenn er mit dem alten sozialdemokratischen Vorurteil bricht, daß man Verbrauchssteuern nicht erhöhen dürfe. Ich meine: Erstens sollte die Mineralölsteuer erhöht werden, als zweites weitere Verbrauchssteuern, wie die auf Nikotin und Alkohol, als letztes Mittel dann die Mehrwertsteuer. Eine Ergänzungsabgabe dagegen bringt nur relativ geringe Beträge. Gerade angesichts der nötigen Mehrarbeit für Ostdeutschland dürfen Investoren und Leistungsträger, vom Facharbeiter bis zum Manager, nicht höher besteuert werden.

Sie sind nicht nur Finanzsenator in Berlin, sondern auch Bundesvorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung. Geraten Sie beim Thema Steuererhöhung nicht leicht in Interessenkonflikte?

Im Gegenteil, das ist eine typische Interessenidentität. Die kleineren und mittelständischen Unternehmen waren in den letzten zehn Jahren die einzigen in Berlin, die neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Der Berliner Finanzsenator hat immer ein höchstes Interesse daran, daß diese Unternehmen das auch in Ost-Berlin tun können. Machen wir uns doch nichts vor: Bei den früheren VEBs entstehen keine zusätzlichen Arbeitsplätze, die entstehen nur im freien Mittelstand.

Für Ost-Berlin gibt es immer noch keinen Haushalt, die Ausgaben dort müssen aus dem Westberliner Teilhaushalt finanziert werden. Kann dieser Zustand noch lange andauern?

In der ersten Märzhälfte werden wir im Senat die Eckdaten des Haushalts besprechen, Anfang Mai können wir den Nachtragshaushalt dann im Abgeordnetenhaus beschließen. Wir müssen den Haushalt ja nicht nur technisch fertigstellen, sondern auch die Ausgaben mit den dann bekannten Einnahmen in Einklang bringen.

Bis wann herrscht denn Klarheit, ob Bonn zusätzliche Mittel für den Ostberliner Haushalt zahlt?

Das ist kein Datum, sondern ein Prozeß.

Dieser Prozeß besteht bisher nur aus Bonner Absagen.

Es gibt Verhandlungen und die werden nach Möglichkeit nicht auf dem offenen Markt ausgetragen.

Wird es länger dauern, als nur bis März?

Es wird relativ frühzeitig feststehen, was die Berlin-Hilfe für den Haushalt betrifft. Die Verhandlungen über die Berlin-Förderung nehmen etwas mehr Zeit in Anspruch, weil ja auch die Fraktionen in Bonn beteiligt sind. Das Ausmaß der Kürzung der Berlin-Förderung hat andererseits auch Folgen für den Berliner Haushalt. Eine Kürzung bringt ja, so sehr sie auch wirtschaftspolitisch schmerzt, zusätzliche Steuereinnahmen für Berlin.

Wovon gehen Sie denn bei Ihrem Haushaltsentwurf aus? Von einer Deckungslücke von sechs Milliarden — oder von einem Zehn-Milliarden-Loch?

Wir müssen noch für geraume Zeit mit Eventualitäten leben.

Dazu zählen auch die Subventionen für die Mieten, Brennstoffpreise und die Tarife im öffentlichen Nahverkehr, die laut Einigungsvertrag in der ehemaligen DDR gezahlt werden müssen. Die Bundesregierung weigert sich immer noch, diese Kosten zu übernehmen.

Insgesamt geht es da um 4,6 Milliarden Mark, wobei hier auch die Beträge für zentrale Kultureinrichtungen im Ostteil der Stadt enthalten sind, die nach unserer Meinung Bonn finanzieren soll. Die Subventionen sind ein Punkt, der in diesen Tagen auf allen innerdeutschen Ost-West- Konferenzen verhandelt wird.

Aber in Bonn bewegt sich nichts.

Das Bonner Finanzministerium stellt seinen Haushalt erstmal ohne das auf. Trotzdem wird die Bundesregierung nicht umhin kommen, sich zu diesen Pflichten zu bekennen. Im letzten Jahr hat Bonn sie ja auch übernommen.

Nun müssen nicht nur Sie mit Eventualitäten kalkulieren, sondern auch die Zuwendungsempfänger des Senates. Zahllose Projekte, die von der Sozial- oder der Familienverwaltung des Senates gefördert werden, haben bisher nur Förderungszusagen bis Ende März. Über dieses Datum hinaus können Einrichtungen wie beispielsweise die Aids-Hilfe nicht kalkulieren.

Wir haben bei den Zuwendungen ganz bewußt einen bestimmten Betrag — nämlich zehn Prozent — als Sperre angesetzt. Mehr Vorgaben haben die einzelnen Senatsverwaltungen nicht. Sie können selbst durchaus entscheiden, einzelne Projekte zu 100 Prozent weiter zu fördern. Die Verwaltungen haben die Sperre bisher relativ gleichmäßig weitergegeben und überall auf eine relativ kurze Förderung übertragen, bis Ende März. Das wird auf die Dauer sicher nicht zu halten sein, weil die Projekte Sicherheit brauchen. Dann muß wohl entschieden werden, einige Projekte dauerhaft zu fördern und andere vielleicht nicht mehr, zugegebenermaßen eine schwierige Entscheidung.

Aus den Sperrungen werden jetzt regelrechte Kürzungen?

Alle Verwaltungen sollten generell und zwar überall in Deutschland in den nächsten Jahren eher daran interessiert sein, zehn Prozent einzusparen, als zu hoffen, daß alles oder mehr kommt.

Die bisher in Berlin verfügte Sperre bringt auch nur Einsparungen von insgesamt 1,1 Milliarden Mark. Reicht das aus?

Nein. Aber über Einsparungen kann man auch nicht alles lösen.

Es gibt schon die Befürchtung, nun werde der Senat vor allem bei sozialen Aufgaben sparen.

Ich sehe für diese Befürchtung keinen Grund. Man sollte die betroffenen Menschen nicht ohne jeden Grund in Panik und Krisenstimmung treiben.

Panik gibt es schon. Die Hochschule der Künste fürchtet die Zahlungsunfähigkeit und wirft dem Senat »Killerpolitik« vor.

Ich hoffe, daß einige besser rechnen können, als sie es jetzt demonstrieren. 90 Prozent der Mittel fließen ja. Da ist es schon nahe an der Veruntreuung, wenn man daraufhin den Konkurs erklären möchte. Ich wünschte mir, diese Menschen hätten einmal Verantwortung in einem Privatunternehmen zu tragen gehabt. Dort ist man oft gezwungen, auch mit 90 Prozent der Mittel zurechtzukommen. Interview: Hans-Martin Tillack