Heiße Öfen ganz legal nach Bagdad geliefert

US-Fahnder stoppen im Sommer 1990 Lieferung nach Bagdad/ Die von europäischen Firmen verschickten Hochtemperatur- Öfen werden auch in Nuklearindustrie benutzt/ Auch deutsches Unternehmen beteiligt/ Anlagen gelten nicht als Rüstungsgüter  ■ Von Thomas Scheuer

Freiburg (taz) — Im Sommer 1990 stoppten US-Zollfahnder im Hafen von Philadelphia eine für den Irak bestimmte Ladung. Die Container enthielten Hochtemperaturöfen, wie sie auch in der Rüstungs- und Nuklear- Industrie zur Behandlung von Spezialmetallen und -legierungen eingesetzt werden. Wegen „ihrer potentiellen Verwendung bei der Herstellung von Atomwaffen“, so ein mit dem Fall befaßter Beamter, wurde der Export gestoppt. Nach Erkenntnissen der Geheimdienste hatten die Irakis insgesamt sieben solcher Öfen in Auftrag gegeben, davon drei in den USA und zwei in England. Die Regierungen in Washington und London verboten die Ausfuhr der zum Teil schon versandfertigen Anlagen. In einem sogenannten Non- paper an befreundete europäische Regierungen heißt es, zusammengenommen ergäben die von Irak georderten sieben Öfen „eine größere Kapazität als zum Beispiel die der Gießerei von Los Alamos“. Der Vergleich war deutlich: In Los Alamos befindet sich die zentrale US-amerikanische Atomwaffenschmiede.

Nach Recherchen der taz waren die Einkäufer Bagdads auch mit einem Firmen-Trio mit Sitzen in Liechtenstein, der Schweiz und der Bundesrepublik ins Geschäft gekommen: Im vergangenen Frühsommer lieferte die deutsche Arthur Pfeiffer- Vakuumtechnik GmbH in Aßlar bei Wetzlar zwei Hochvakuum-Öfen und andere Geräte nach Bagdad. Einige Komponenten steuerte auch die Balzers Hochvakuum AG in Zürich bei. Die Verträge mit dem Industrie- Ministerium in Bagdad liefen alle über Balzers Liechtenstein. Die drei Firmen verbindet ihr Eigentümer: Sie alle gehören dem schweizerischen Bührle-Oerlikon-Konzern — ein bekannter Name im internationalen Kriegsmaterialgeschäft.

Der größte Teil der Anlagen wurde von der Arthur Pfeiffer-Vakuumtechnik in Wetzlar hergestellt: Zwei Hochvakuum-Wärmebehandlungsöfen (Typenbezeichnungen: MOV 551 und MOV 542) sowie eine Vakuum-Schmelz- und Gießanlage (VSG 300) für zusammen fast 1,5 Millionen Mark. Geliefert wurde Ende Mai 1990. Im Juli folgten eine weitere Vakuum-Schmelz- und Gießanlage (VSG 030 B) für 1.264.171.- DM und eine Vakuum- Wärmebehandlungsofen (COV 652 HV) für 1.213.369.- DM. Der dritte Teil des Geschäftes platzte allerdings: Für zwei Vakuum-Schmelz- und Gießanlagen (VSG 300 und VSG 040 P, 2.506.470.- DM und 2.059.895.- DM) war in Firmenpapieren als geplanter Liefertermin der 15. November 1990 vermerkt. Doch da war schon das UNO-Embargo gegen den Irak in Kraft. Auch zwei umfangreiche Ersatzteilsendungen im Wert von über 600.000 DM konnten nicht mehr ausgeführt werden. Ebenso fiel ein Teil der im Vertrag vereinbarten Ausbildung von irakischem Personal ins Wasser. Allerdings war vom Produzenten vor dem Embargo „Training für 146.300 DM bereits geleistet“ geworden; und zwar in Wetzlar. Bescheiden nimmt sich aus, was Balzers direkt aus Zürich und Liechtenstein in den Irak lieferten: Lecksucher, Vakuumpumpen, Wolframdraht und anderes Kleinzeug. Eine Vakuumprüfkammer für rund eine Million Franken wurde wegen des Embargos zurückbehalten; eine andere Sendung wurde auf dem Frankfurter Flughafen gestoppt und zurückgeschickt.

Der geschilderte Technologie- Transfer zeigt ein Manko der aktuellen Exportkontrolldebatte auf, die völlig verkürzt auf den illegalen Verschub von Waffen und Rüstungstechnik geführt wird: Die genannten Spezialanlagen wurden, da keine eigentlichen Rüstungsgüter, ganz legal in den Irak exportiert. Das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn stellte sogenannte Negativbescheinigungen aus — sie wurden mittlerweile hektisch widerrufen. Ein Manager der Arthur Pfeiffer GmbH nennt die gelieferten Ausrüstungen im Gespräch mit der taz „klassische Dual-use-Anlagen“ und macht keinen Hehl daraus, daß sie „für die Herstellung künstlicher Hüftgelenke genauso einsetzbar sind wie für die Vergütung von Geschoßkernen“. Juristisch gesehen war das Geschäft also völlig korrekt. Doch moralisch? „Heute“, so der Manager, würde man bei solchen Kundenländern vielleicht doch sagen, „nee komm', laß da mal die Finger davon“.

Bereits im Frühjahr hatte übrigens die CIA Versuche Pakistans gemeldet, ebenfalls solche Spezialöfen zu erschleichen. Die Befürchtung eines ausländischen Spähers, die Arthur- Pfeiffer-Vakuumtechnik GmbH könnte ausgerechnet in Pakistan ersatzweise Abnehmer für die durch das UNO-Embargo gestoppte Irak- Ware gefunden haben, zerstreut ein Mitglied der Firmenleitung gegenüber der taz: „Das Zeug steht noch bei uns rum.“