Der Sound des Krieges

■ Von Maschinerie und Macht: Eine Diskussion über „Krieg und Medien“ zum Abschluß der Filmreihe „Schuß - Gegenschuß“

Einfach mal herumgedacht: Am Golf ist der reale Krieg — und wir wollen, zur Vervollkommnung unserer „Betroffenheit“, die Toten sehen, deren Anblick die strikte Militärzensur uns vorenthält.

Wir wollen uns nicht weismachen lassen, dies sei ein „sauberer Hightech-Krieg“ — ja, wissen wir das denn nicht? Wir wollen den Krieg nicht sehen als „Videospiel“ — ja, glauben wir denn, der Krieg sei nur Computer-Simulation?

Wir wollen die Wahrheit sehen, ganz unzensiert. Ja, ist denn das Fernsehen je ein Wahrheits

Faszinierende Kriegs-Technologie: „Schon in den Discos wird die rasante Wahrnehmung der modernen Kriegsgeschwindigkeit eingeübt.“

Medium gewesen? Wir wollen unzensiert „dabeisein“ — so, wie bei der Entführung der Geiseln im Bremer Bus?

Und dann brechen wir in höhnisches Gelächter aus, wenn bei ARD und ZDF die Leitungen nach Nahost nicht „stehen“, wenn die Kommunikation zwischen Korrespondenten und Studio nicht klappt — anstatt das technische Nicht-Funktionieren wenigstens als — wenn auch ungewolltes — Indiz dafür zu nehmen, daß auch der Professionalität der Atem stockte.

Am Golf ist der reale Krieg — wir wollen ihn in „Echtzeit“ miterleben: damit wir hinterher wieder sagen können, das Fernsehen spekuliere mit Voyeurismus, das Fernsehen stumpfe ab? Ist der berechtigte Zorn auf Militärzensur überhaupt in moralischen Angrif

Tanz der Projektoren am Himmel des Zweiten Weltkriegs. Dokumentarische Szene aus dem Film „Schuß - Gegenschuß“

fen aufs Medium zu formulieren?

Für Irmbert Schenk, Medienwissenschaftler von der Bremer Uni und Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Thema „Krieg und Medien“ am Samstag in der Angestelltenkammer, ist die Sache moralisch einfach, um nicht zu sagen: simpel. Ganz nach der fossilen Haudegen-Ideologie altlinker Schwadroneure sieht er die gigantische Verschwörung,

hierhin bitte

das Nacht-Foto

mit Scheinwerfer-

Kegeln

eine „US-bestimmte, imperialistische Hegemonie“ am Werk, die uns die „Echtzeit“ des Krieges samt Leichen vorenthält, weil sie auf „Weltmeinungsordnung“ aus sei.

Doch Schenk hört nicht nur den Großen Bruder trapsen — er greift uns auch an unser hausgemachtes „Denkverbot“: Die Deutschen unterlägen schon seit Jahrzehnten zwei ganz entschei

denden Tabus: dem Antisemitismus und dem Antikommunismus.

So ächzen wir also derzeit unter den „Revivals von zwei zentralen Momenten, die das Denken in diesem Land verhindert haben“ und sind gezwungen — Schenk weiß von der Weltmeinungsführerin Lea Rosh und ihrer Talkshow als Beispiel zu berichten, wo jede israel-kritische Bemerkung „abgeschmettert“ werde —,

für Israel, für Amerika und gegen ein „vernünftiges Verhältnis zu unserer Geschichte“ zu sein.

Er will also wohl nur Tote sehen, sofern sie von Amerikanern ermordet wurden — ermordete Juden führen ja letztlich nur zum Denkverbot.

Der Bochumer Literatur-und Medienwissenschaftler Friedrich Kittler zeigte sich weitaus mehr auf der Höhe des Gegenstands. In absolut kontroverser Position zum Verschwörungstheoretiker Irmbert Schenk sieht Kittler in der „Betroffenheit“ über den Krieg eine „bürgerliche Fiktion“ in den Köpfen derer, die genau von der Macht profitieren, deren Durchsetzung sie kritisieren.

Im elektronischen System der Medien liege die Macht, dagegen gelte es nicht zu protestieren, sondern sich, „selbst Krieg führend, ins Kommunikationsnetz einzuschalten“, an vorenthaltene Informationen heranzukommen. „Militärisch ignorant“ findet Kittler die Diskussion um die Bilder von Toten dieses Krieges — solange er noch ein Luftkrieg ist.

Und wer Paul Virilios Film „Bilder vom Krieg“ vor der Diskussion gesehen hat, weiß auch, warum: Die Ausbildung der Piloten vollzieht sich ausschließlich in der Computer-Simulation, also rein elektronisch, mit der Tendenz, die Piloten überflüssig zu machen. Ein „High-Tech-Krieg“ also nicht wegen der Zensur, sondern als elektroniksystem-immanentes Bild vom Krieg: Die Kameras der Piloten können gar keine Bilder von Opfern machen. Maschinerie blickt Maschinerie ins Auge.

Dem sei mit Moral und Einklagen der „bürgerlichen Öffentlichkeit“ nicht beizukommen. Die eigentliche Provokation freilich, sagt Kittler, liege darin, daß die Unterhaltungsmedien — und ihre Faszination — auf den Technologien des Kriegs basieren: In Discos wird die „rasante Wahrnehmung“ der modernen Kriegsgeschwindigkeit eingeübt — man tanzt nach dem „Sound des Kriegs.“ Sybille Simon-Zülch