Diepgen will Entscheidung später

■ Der Senat ist auf die Niederlage Berlins bei einer Abstimmung im Bonner Bundestag über den Regierungssitz nicht vorbereitet/ Soziale Unruhen in Berlin sind möglich

Berlin. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, hat sich überraschend dafür ausgesprochen, die Entscheidung über den deutschen Regierungssitz aufzuschieben und erst »in angemessener Frist« zu treffen. Der Senat sei zur Zeit auf ein Votum gegen Berlin nicht vorbereitet. Damit reagierte Diepgen auf die sich im Bundestag und in den Parteien abzeichnende Tendenz, die Regierungsarbeit in Bonn zu belassen. Diepgen, der auch CDU-Landesvorsitzender ist, sagte: »Eine Entscheidung gegen Berlin als Sitz von Parlament und Regierung würde vor der Geschichte keinen Bestand haben.«

Die Bonner Interessen müßten natürlich berücksichtigt werden, meinte der Regierende, beklagte aber zugleich, daß die Politiker zu sehr über Grundstückspreise und Umzugskosten und weniger über die »historische Dimension der Entscheidung« diskutierten. Ein Votum für Berlin hätte auch eine durchschlagende Sogwirkung für die Spree- Stadt: »Deutsche und europäische Unternehmen würden mit der Regierung nach Berlin kommen.« Diepgen forderte die Bundesregierung auf, den Abbau der Berlinförderung langsamer als geplant zu gestalten. Er sollte in Etappen über »fünf bis zehn Jahre« und unter Berücksichtigung der Lage von öffentlichen und privaten Haushalten erfolgen. Berlin befinde sich »in einer schlechteren Lage als etwa das Land Sachsen«. In der Hauptstadt prallten die Gegensätze unmittelbar und »quer über die Straße« aufeinander. In diesem Zusammenhang schloß Diepgen soziale Unruhen als Folge von Arbeitslosigkeit und der Steigerung von Miet- und Energiekosten in der Zukunft im Ostteil Berlins nicht aus. ap