Die Kurzwellenszene boomt

In Kanada und USA Empfänger und Handbücher ausverkauft  ■ Von Harald Kuhl

Während Kurzwellenrundfunk in den Ländern der sog. Dritten Welt nach wie vor ein wichtiges Massenmedium darstellt — mit relativ geringem finanziellen Aufwand kann ein Maximum an HörerInnen erreicht werden —, hatten Medienfachleute für die Industrieländer im Zeitalter von Satelliten- und Kabelfernsehen den grenzüberschreitenden Wellen ein baldiges Ende vorausgesagt. Davon aber kann momentan nicht mehr die Rede sein. Denn seit die strikte Zensur der Militärs gegenüber der Golfberichterstattung überdeutlich geworden ist, ist weltweit der Empfang von Kurzwellensendern so populär wie seit langem nicht mehr.

Nicht nur in Deutschland finden sich Arbeitsgruppen zusammen, die die Kurzwellensender der Golfregion systematisch abhören und mit der Veröffentlichung der so gewonnenen Informationen ein Gegengewicht gegenüber den Zensoren schaffen wollen. In Kanada und den USA sind Kurzwellenempfänger derzeit ausverkauft und Standardwerke wie das World Radio and TV Handbook oder Passport to World Band Radio, die Frequenzpläne und anderes von Kurzwellensendern enthalten, müssen bereits wenige Tage nach Erscheinen der neuesten Ausgabe in die zweite Auflage gehen, um der weltweit gesteigerten Nachfrage nachkommen zu können. Für den deutschsprachigen Raum erscheint das Jahrbuch Sender & Frequenzen (Siebel Verlag, Meckenheim), das ebenfalls Sendepläne von Kurzwellensendern enthält. Doch Vorsicht, auch beim Kurzwellenempfang ist kritisches Zuhören ratsam, muß doch der Auslandsrundfunk als Fortsetzung von Außenpolitik mit anderen Mitteln betrachtet werden.

Die US-Regierung steht dem gesteigerten Interesse am Medium Kurzwelle inzwischen eher argwöhnisch gegenüber. Ihre Sorge richtet sich dabei nicht so sehr gegen den Empfang von Rundfunksendern als vielmehr gegen das Abhören des Funkverkehrs der Alliierten, der teilweise ebenfalls auf Kurzwelle abgewickelt wird. Mit fast jedem Kurzwellenempfänger kann auch militärischer Funkverkehr abgehört werden, sofern dieser unverschlüsselt ist. Eine Reihe von im Handel befindlichen Handbüchern informiert über entsprechende Frequenzen. Zwar ist in Deutschland das Abhören von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Aussendungen bei Androhung empfindlicher Strafen verboten, nicht jedoch in den USA oder in den Niederlanden.

Die amerikanische Fernmeldebehörde (FCC) warnte jetzt in einer Pressemitteilung Kurzwellenhörer vor der Weitergabe von Informationen, die beim Abhören von militärischem Funkverkehr eventuell gewonnen werden. Es gilt jedoch als sicher, daß strategischer Funkverkehr entweder verschlüsselt oder über Satellit abgewickelt wird. Verschlüsselte Sendungen waren kürzlich auch über Radio Bagdad zu hören. Nachdem zunächst daran gedacht wurde, daß es sich möglicherweise um Mitteilungen an irakische Terroristen handeln könnte, entschied man sich dann dafür, die Sendungen als Teil irakischer psychologischer Kriegsführung zu betrachten, die sich im Vergleich zu der der Alliierten als recht bescheiden ausnimmt.

Vor einigen Tagen wurde erstmals auf 7290 kHz ein deutscher Piratensender auf Kurzwelle gehört, der sich gegen die hiesige Medienberichterstattung über den Golfkrieg wendet. In dem knapp einstündigen deutschen Programm von „Radio Peace in Action“ (PIA) war neben Musik und Aufrufen zum Boykott gegen zensierte Meldungen auch ein Interview zu hören, in dem sich eine Organisatorin einer Mahnwache über ihre Motive äußerte. Zum Sendeschluß wurden andere Piratensender dazu aufgefordert, das Programm verbreiten und beim weiteren Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zu helfen. „Radio Peace in Action“ ist besonders dehalb bemerkenswert, weil sich die deutschen Kurzwellenpiraten bislang immer weitestgehend aus dem politischen Tagesgeschehen bewußt herausgehalten haben.

Das 578 Seiten starke und 49 DM teure World Radio TV Handbook — die Bibel der Kurzwellenhörer aus dem Billboards Verlag (New York) — sind über den Kurzwellen-Pressedienst, Weender Str. 30, 34 Göttingen 1, Tel.: 0551/55121, Fax: 0551/44871 zu beziehen.

Auch Radio von Unten , das alternative Medienmagazin des Kurzwellen-Pressedienstes, das in seinem Sonderheft zum Golfkrieg (48 Seiten) mit aktuellen Angaben über die Radio- und Fernsehsender der Golfregion aufmacht, ist für 5 DM bei obiger Adresse zu haben.