: Südafrika: Aussöhnung mit Hindernissen
ANC definiert den Verzicht auf den bewaffneten Kampf, behält aber Untergrundstrukturen bei/ De Klerk verspricht Teilnahme an einer Konferenz über die Zukunft des Landes/ ANC: Bislang nur 10% der politischen Gefangenen freigelassen ■ Von Willi Germund
Johannesburg (taz) — Südafrikas „African National Congress“ definierte den bereits verkündeten vorläufigen Verzicht auf den bewaffneten Kampf. Im Gegenzug versprach Südafrikas Regierung, sich bald an einer Viel-Parteien-Konferenz über die Zukunft des Landes zu beteiligen und die seit Mitte des letzten Jahres verschleppte Rückkehr von Exilierten sowie die Freilassung der politischen Gefangenen zu beschleunigen.
Doch kaum war am Wochenende der von Präsident Frederik W. de Klerk und Nelson Mandela ausgehandelte Kompromiß verkündet, gab es schon neue Meinungsverschiedenheiten.
So beklagte der ANC-Sprecher Pallo Jordan, daß bisher nur knapp zehn Prozent der 3.226 politischen Gefangenen freigelassen worden seien. In dieser Zahl sind auch die Gefangenen der Homelands eingeschlossen. Jordan: „Bei den Freigelassenen handelt es sich um Leute, die ohnehin schon zwei Drittel der Strafe abgesessen hatten.“ Südafrikas Innenminister Adrian Vlok dagegen will nur rund 1.000 politische Gefangene in seinen Zuchthäusern sitzen haben.
Auch bei der Rückkehr der rund 40.000 Exilierten gibt es weiter Reibereien. Wie bei den politischen Gefangenen hatte der ANC während einer Parteikonferenz im Dezember ein Ultimatum gestellt: bis zum 30. April sollten die Gefangen freigelassen und die Exilierten zurückgekehrt sein. Der ANC lenkte nun bei der Frage der Heimkehrer ein. Pallo Jordan: „Wichtig ist, daß bis zu dem Datum die Vorraussetzungen für die Rückkehr der Exilierten geschaffen sind.“
Doch selbst dies scheint fraglich. „Was die Rückkehr der Exilierten angeht, herrscht ein heilloses Durcheinander“, erklärte eine Vertreterin von Südafrikas katholischer Kirche. Dies bestätigte indirekt auch der Afrika-Beauftragte des UN-Flüchtlingskommissariats, Nicolas Bwakira, zum Abschluß eines Besuchs in Südafrika: „Es wäre gut, wenn die Rückkehr vor dem 30. April anfangen könnte.“ Die Kosten der Repatriierung kalkuliert ein UN-Beamter auf 40 Millionen US-Dollar.
Aber Staatspräsident de Klerks Äußerungen vom Wochenende lassen hoffen, daß die Vorbereitungen anlaufen können. Der Regierungschef: „Unsere Vereinbarungen etablieren einen Rahmen, in dem der ANC sein ernsthaftes Interesse an einer friedlichen Lösung beweisen kann.“ Allerdings gestand das Apartheidregime dem African National Congress das Recht auf sogenanten „Massenaktionen“ zu, mit denen der südafrikanische Staat unter Druck gesetzt werden soll.
Pretoria hatte sich seit Herbst wegen der ANC-Haltung in der Frage des bewaffneten Kampfes quergestellt. Jetzt verpflichtete sich Nelson Mandela ausdrücklich, daß alle bewaffneten Aktionen eingestellt werden sollten.
Die Untergrundstruktur des ANC darf zwar bestehenbleiben, und die Regierung verzichtete auf eine Verfolgung dieser ANC-Mitglieder; im Gegenzug sollen aber keine neuen Leute und auch kein Material mehr nach Südafrika geschmuggelt werden. Weiter dürfen in Zukunft weder neue Untergrundstrukturen aufgebaut noch Aufrufe zur Gewalt oder Drohungen mit bewaffneten Aktionen veröffentlicht werden. Der ANC verzichtet außerdem auf die Ausbildung von Untergrundkämpfern in Südafrika. Im Ausland jedoch läßt der ANC, so ein Sprecher, weiter Mitglieder militärisch ausbilden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen