Seltsame Leibesübungen

Der Australier Geoff Case hat letzten Donnerstag seinen amerikanischen Mitbewerbern den ersten Rang auf den Treppen des New Yorker Empire State Building abgelaufen. Beim jährlich ausgetragenen schweißtreibenden Hochhausrennen bewältigte er, Sieger des Ausscheidungslaufs im Rialto-Gebäude von Melbourne, die 1.430 Stufen vom Erdgeschoß zum 80. Stock in 10 Minuten und 13 Sekunden. Mit 10:25 und 10:41 Minuten belegten zwei Amis die nächsten Plätze. Der australische Erfolg wurde von Corliss Spencer aus Garden City im Staat New York etwas wettgemacht. Sie siegte bei den Frauen mit 11 Minuten und 32 Sekunden.

Das Rialto-Gebäude in Melbourne ist 242 Meter, das Empire State Building 380 Meter hoch. Normalerweise wird der verrückte Wettbewerb über 86 der 102 Stockwerke des Wolkenkratzers ausgetragen. Die Strecke wurde in diesem Jahr jedoch wegen Bauarbeiten um sechs Geschosse verkürzt.

In Sachen Leibesertüchtigungen haben sie im Land der großen Beuteltiere schon einiges drauf. Deshalb ist es schade, daß einem australischen Spektakel nach klassischem Brauch wahrscheinlich das Aus droht. Die Meisterschaften im Thunfisch-Weitwurf sind Ende Januar vermutlich zum letzten Mal auf traditionelle Weise ausgetragen worden. Bereits im nächsten Jahr sollen nach den Plänen der Veranstalter statt der tiefgefrorenen Fische Gummitiere geschleudert werden. Bei dem diesjährigen Spektakel warfen die zwei Lokalmatadoren aus Port Lincoln den zehn Kilo schweren toten Thunfisch am weitesten. Norm Marks holte sich mit seinem Meisterwurf über 14,46 Meter den Titel. Bei den Frauen siegte Jodie Hamilton mit einer Weite von 4,64 Meter. Weniger moralische Bedenken als vielmehr rechtliche und sportliche Gründe veranlaßten die Veranstalter, künftig keine echten Fische mehr als Wurfgerät zu benutzen. Sie mußten im vergangenen Jahr einer Zuschauerin ein hohes Schmerzengeld bezahlen, die von einem ins Publikum geschleuderten Thunfisch ins Kreuz getroffen wurde und schwere Verletzungen davontrug. Sportlich verspricht man sich von den Gummitieren eine größere Stabilität als bei den tiefgefrorenen Fischen. Ob die Thunfische aber schon im nächsten Jahr in der Kühltruhe bleiben, ist fraglich. Bisher konnte noch kein Gummifabrikant gefunden werden, dessen Produkte den hohen Ansprüchen der Thunfischwerfer hinsichtlich Design, Balance und Gewicht gerecht wurden. Karl Wegmann