Flagge zeigen für die Nato

■ Besuch im Oldenburger Fliegerhorst, wo das 43. Jagdbombergeschwader aus dem türkischen Erhac zurück ist/ Nie das Gefühl von Krieg gehabt

Oldenburg (taz) — Beißender Qualm, der Geruch von verbranntem Holz und Strohballen umhüllt den Eingang des Oldenburger Fliegerhorstes. Auf einem Plakat der Mahnwache, die inzwischen „wegen der Sicherheit“ mit Maschendraht umzäunt ist, steht: „Sabotiert und desertiert, solange ihr noch könnt.“ Mittwoch morgen, 10.00 Uhr: An der Kaserne erscheint die Kripo mit einer Anzeige der Bundeswehr. Das Plakat muß trotz Protestes der MahnwachenaktivistInnen entfernt werden. Begründung: Hier wird öffentlich zu einer Straftat aufgerufen.

Auf der anderen Seite der Barrikade ist man von den Appellen der Friedensfreunde völlig unberührt. Hier läuft alles wie gehabt. Stabsfeldwebel Friedrich Zölffel, Major Bodo Saar und Stabsunteroffizier Klaus Meyer vom Jagdbombergeschwader 43 jedenfalls sind zufrieden mit ihrer Arbeit. Besonders mit dem jüngsten Einsatz in Erhac, einem Lufwaffenstützpunkt in Türkisch-Kurdistan (30 km vor der Stadt Malatya). „Für mich war das der Höhepunkt meiner Laufbahn“, versichert Zölffel mit zufriedenem Lachen. Nach 34 Dienstjahren bei der Bundeswehr wird er sich demnächst zur [mit Pech: ewigen — d.K.] Ruhe setzen. Alles sei in der Türkei, wo inzwischen etwa 250 Soldaten stationiert sind, nach Plan gelaufen. Die zentrale Aufgabe des Vorkommandos vom 4. Januar bis 2. Februar: Aufbau der Zeltstadt, Einrichten des Hauptquartiers, Installieren von Fernmeldeverbindungen, Bereitstellen von Unterkünften und der nötigen Technik, damit die 18 Kampfflugzeuge vom Typ Alpha Jet jeder Zeit einsatzbereit sind.

700 Dienststunden am Stück waren die Soldaten im Einsatz, das ist selbst für Berufssoldaten keine Kleinigkeit. Auch nach der genehmigten Urlaubswoche steht ihnen die Anstrengung noch im Gesicht geschrieben. „Insgesamt war der ganze Einsatz aber eine ganz normale Auslandsübung“, betont Zölffel. Für ihn, der schon etliche solcher Aktionen hinter sich hat, nichts neues. „Unser Auftrag lautete: Flagge zeigen für die Nato und präsent sein. Und genau das haben wir getan.“

Von der Stadt und ihren Einwohnern haben die Soldaten wenig gesehen. Ihre beiden Hotels wurden die ganze Zeit über von türkischem Militär abgeschirmt. Doch auch so war das Interesse an der „Zivilbevölkerung eher gering. „Für mich hat diese Stadt keine Bedeutung“, sagt Stabsfeldwebel Zölffel. Nur an einem Tag seien einige der Soldaten „freigesetzt“ worden für einen Spaziergang.

Klaus Meyer, einer der „Freigesetzten“, erzählt von seinen Eindrücken: „Überall sah man schwarze Gardinen und dreckige Straßen.“ Schon morgens habe über dem ganzen Gebiet schmutziger Dunst gelegen. Major Bodo Saar kennt sich gut aus. Immerhin fährt er seit 11 Jahren „da runter“, womit auch Italien und Griechenland gemeint sind. 1983 bei einem Einsatz in Diyabarkir hat er gesehen, wie 21 Kurden an der Stadtmauer erschossen wurden. Auch daß die kurdische Sprache verboten ist und ganz Türkisch-Kurdistan seit 1979 im Ausnahmezustand lebt, weiß er. Sein Kommentar: „Es gibt eben viele Formen von Demokratie.“ Ganz sicher würden dort Dinge passieren, die man nicht gutheißen könne, aber es sei eben ein anderes Land mit einer anderen Kultur und Mentalität. „Die Bundeswehr entscheidet, was zu tun ist, da muß ich meine Pflicht tun.“ Das schlimmste, was einem Soldaten passieren könne, sei, daß er aus emotionellen Gründen verweigern müsse, weil dann ja sein ganzes Weltbild zusammenbreche. „Ich bin 20 Jahre lang so erzogen worden, daß das, was in der Bundeswehr passiert, richtig ist.“

Dafür, daß Bodo Saar auch in Erhac seine „Pflicht“ tat, hat man ihn insgesamt nicht schlecht belohnt. Knapp 10.000 Mark (netto) wurden aufgrund von Auslandszulage und Trennungsgeld für den Monat Januar auf sein Konto überwiesen. Der entscheidende Grund für ihn, trotz Studiums zur Bundeswehr zu gehen, so erzählt er, war die Möglichkeit, „hier schnell zu Geld zu kommen“. Aufgewachsen in einem 500-Seelen- Dorf als Sohn eines Holzfällers, habe er mit 18 nur die Alternative gesehen, entweder zu versauern oder möglichst schnell Geld zu verdienen. „Das ging bei der Bundeswehr und besonders beim fliegenden Personal am besten.“

Von den Ausmaßen des Krieges, den Flächenbombardements und Opfern, so versichern die Gesprächspartner, hätten die Soldaten nur durch Radio und Zeitungen erfahren. Zu keinem Zeitpunkt hätten sie selbst das Gefühl gehabt, sich in einem Kriegsgebiet zu befinden.

Doch zwei der in Erhac stationierterten Soldaten hielten die nervliche Belastung und Angst nicht aus. „Die Leute sind nicht mit der Situation fertig geworden, und da mußten wir sie nach Hause schicken“, erzählt Stabsfeldwebel Zölffel. „Die Stabilität der Soldaten ist eben verschieden. Aber für die, die wissen, wie so was abläuft, gibt's keine Probleme.“ Was ihn an der Friedensbewegung und an den Demos gegen den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der Türkei besonders stört, ist, „daß wir von den jungen Leuten als potentielle Mörder bezeichnet werden.“ Das Wort töten halte er für völlig unangebracht. „Für mich ist das Verteidigung.“

Vor der Kaserne mußte die Mahnwache inzwischen eines ihrer Zelte abbrechen. Das andere hatten sie schon am Vortage aus dem „Bundeswehrsichtfeld“ entfernt und an die Mauer verlegt. Obwohl die Personalien einiger DemonstrantInnen aufgenommen werden, steht für die Mahnwache fest: „Wir wollen weiter gegen den Wahnsinn im Golf protestieren.“ Birgit Ziegenhagen