Die Rote Armee will in Moskau demonstrieren

Moskau (taz) — Sowjetgeneral Gennandi Katschuba hat im Fernsehen dazu aufgerufen, am kommenden Samstag massenhaft an einer Demonstration der Moskauer KPdSU und verschiedener konservativer Gruppierungen teilzunehmen. Damit organisieren die orthodoxen Parteikräfte erstmals seit Beginn der Perestroika eine Großdemonstration in Moskau. Bisher hatte sich die Rote Armee noch nie öffentlich an politischen Demos in der UdSSR beteiligt. Veranstaltet wird die Demo nach Angaben des Generals von der konservativen Parlamentsfraktion Sojus, der kommunistischen Fraktion im Moskauer Stadtsowjet, dem örtlichen Parteikomitee und dem kommunistischen Jugendverband, den Kriegsveteranen, den Gewerkschaften und der Stadtkommandatur der Armee. Die Hauptparole der Demo solle sein: „Partei und Armee sind eins.“

Die gewöhnlich zuverlässige Zeitung 'Moskowskij Komsomolez‘ hatte schon am Donnerstag berichtet, die Leitung des Moskauer Generalstabs habe am 11. Februar die Kommandeure und Politstellvertreter aller Militärbehörden sowie der Moskauer Garnison aufgefordert, sich am 23. zu einer Demonstration auf dem Moskauer Manegeplatz um 13 Uhr einzufinden. Normalerweise wird der 23. Februar in der UdSSR als Gründungstag der Armee und Flotte mit einer Parade begangen. Man wolle damit für eine geeinte und unteilbare Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken demonstrieren. Verantwortlich für die ordnungsgemäße Abwicklung des „Meetings“ seien Offiziere in Zivil, andere Dienstleistende der Armee und Offiziersschüler. Auch an Frauen wurde gedacht. Offenkundig möchte der Generalstab damit der Gefahr vorbeugen, daß wutschnaubende Keulenschwinger und Gladiatoren unter sich sein könnten. Indes gilt es doch der Öffentlichkeit den Eindruck eines „gesellschaftlich repräsentativen Protestes“ zu vermitteln.

Selbst Aufmarschplan und Verteilungsschlüssel der Marschierer sollen wie in alten Zeiten „von oben“ vorgegeben worden sein. Demnach haben Verteidigungsministerium und Generalstab 1.200 Menschen „abzustellen“. Die Militärakademie Frunse muß — wie andere Akademien auch — 2.000 Leute aufbringen.

Militärkreise ließen durchblicken, man wolle die Demonstration auch gegen den Willen des demokratisch gewählten Stadtparlaments durchführen. Konsequenterweise wird die städtische Polizei auch mit keinem Wort erwähnt, während das Militärkommando sich eigenmächtig zum alleinigen Ordnungshüter ernennt. Die Militärkommandatur der Stadt sichere die Ordnung, heißt es knapp und bündig. Klaus Helge-Donath