DERMUSIK—TIP  ■  ALONE IM QUARTIER: GRAHAM PARKER

Vielleicht neben Elliot Murphy ist Graham Parker der größte Außenseiter, den der zeitgenössische Rock hervorbrachte. Die zumindest für viele in den Endsiebzigern gültige Formel »Too old for Punk too young to die«, wird für den Londoner zur unumstößlichen Wahrheit. Zeitgleich mit den blitzgewittrigen Punkpaukenschlägen veröffentlicht auch Parker sein erstes Material (»Howlin wind«, 1976). Die arrivierte Kritikermeute entdeckt in den leidenschaftlichen, selbstkritischen, bisweilen auch ironischen Songs nicht minder leidenschaftlich Mikrofeinheiten in der Grauzone von R&B und weißem Soul, und meint gar an einer anderen Stelle, das Reizwort »dylanesk« ins Spiel bringen zu müssen. Mitschuldig an soviel Lob war seine Band The Rumour - unvermeidlich zu erwähnen der Gitarrist Brinsley Schwarz- und natürlich die Produktion von »Mr. Nouveau Pop« Nick Lowe - ein Mann, den man überhaupt problemlos für diese Rockpile - Pubrock Geschichte verantwortlich machen konnte. Denn Rockpile war die Band mit Dave Edmonds und zugleich wesentlicher Vertreter des sog. Pubrock, der intelligent gesprochen so etwas wie »Musik für die achtziger, mit den fünfzigern im Kopf« ist. Oder gossensyntaktisch: nach dem ersten Bier nimmt man noch all die Raffinessen wahr, nach dem dritten oder vierten aber, lautet die Analyse zum Thema Pubrock, da geht die Post ab, noch'n Bier, bitte. Das also hat der gute Graham Parker grob gesprochen über all die Jahre getrieben, bis es ihm schließlich zu bunt wurde, und er beschloß, der Enge der Pubs in die Weite Amerikas zu entfliehen. Statt einer Pint 'Budweiser' sozusagen.

Für Parkers fatalen Hang zum italo-amerikanischen Outfit - er verkleidet sich fortan mit dunkler Sonnenbrille und abgetragenem Nadelstreifenanzug - waren die Möglichkeiten in New York City doch begrenzter, als er sich es zunächst erträumte. Man nimmt ihm bestenfalls die Rolle eines kokaindealenden Babyräuber ab, aber nur wenige wollen in ihm einen intellektuellen Songwriter sehen. Das tun eigentlich nur Dylan und Springsteen, für die er als Vorturner in Erscheinung tritt. Ansonsten aber schert sich der US-Markt einen Dreck um den drahtigen Briten. Daran kann auch »Mona Lisa's Sister«, sein mit vielen guten Worten bedachtes '88er Album nichts ändern. Stets war seine Musik profund und professional, aber nie populär. Das unterstreicht er tatsächlich mit einer fast schon beeindruckenden Kontinuität 1991: sein bislang letzter Streich ist soeben erschienen und heißt »struck by lightning«. Und wenn nun das Motto des heutigen Auftritts lautet »alone im Quartier«, dann heißt das nicht, daß niemand hinkommen wird, es heißt ganz einfach, Graham Parker spielt solo. Joseph Pichelmayer

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