AL warnt: Autos müssen aus der Innenstadt

■ Umweltpartei will, daß innerhalb des S-Bahn-Ringes kaum noch Autos fahren dürfen/ Luftbelastung wird sonst unerträglich

Berlin. Eineinhalb Millionen Berlinerinnen und Berliner können aufatmen — wenn Wirklichkeit wird, was die Fraktion von AL und Bündnis 90 gestern im Schöneberger Rathaus forderte.

Sie wollen, daß ab 1. Januar kommenden Jahres die Innenstadt für die meisten Autofahrer gesperrt wird: alle, die das Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes nur passieren wollen, müßten dann den von Automassen befreiten Kern weiträumig umfahren. Nur der öffentliche Verkehr (inclusive aller Taxis), der Wirtschaftsverkehr, die etwa 1,5 Millionen Anwohner und die, die in den Stadtkern hinein wollten, wären zum Autofahren berechtigt.

Nach den Vorstellungen von Hartwig Berger, dem umweltpolitischen Sprecher der Oppositionspartei, müßten alle, die mit ihren privaten Blechkisten in die autoreduzierte Stadt fahren möchten, im Besitz einer BVG-Umweltkarte sein. Ein Aufkleber an der Windschutzscheibe wäre sozusagen die Eintrittskarte. Den Anwohnern und dem Wirtschaftsverkehr würden extra ausgewiesene Parkplätze zur Verfügung gestellt, alle übrigen Stellplätze sollen für jede halbe Stunde mindestens drei Mark kosten.

Busse und Bahnen würden, wenn nötig, an Ampeln bevorrechtigt und die ersteren bekämen Busspuren. Ab 1. Oktober dieses Jahres sollen die öffentlichen Verkehrsmittel von 6 bis 24 Uhr im Fünf-, die übrigen nächtlichen sechs Stunden im 15-Minuten-Takt fahren.

Gegen das vorgeschlagene Modell, das in ähnlicher Form schon in der schwedischen Hauptstadt Stockholm selbstverständlich ist, dürften Umweltsenator Hassemer und Verkehrssenator Haase kaum Argumente (beide CDU) haben. Volker Hassemer hatte vor zwei Wochen höchstpersönlich einen »Emissionskataster Verkehr« vorgestellt. Der Bericht zieht die traurige Bilanz, daß trotz des verstärkten Einsatzes des Katalysators die Schadstoffe durch den Autoverkehr in Berlin nicht ab- sondern zunehmen. Im Zeitraum der Untersuchung, in den Jahren 1984 bis 1988, nahmen die Autofahrten im Westteil Berlins um 6,8 Milliarden Kilometer zu, steigerte sich der Kraftstoffverbrauch um 566.000 Tonnen (zwei Prozent) und alleine die Stickoxide um 16.000 Tonnen (vier Prozent).

Michael Cramer (AL) erklärte gestern außerdem, daß eine autoreduzierte Innenstadt und ein 24 Stunden durchgehendes BVG-Angebot eventuell billiger sein könnte, als eine Lösung, die das Verkehrschaos mit Straßen- und Parkplatzneubau sowie dem zwangsweisen Häuserabriß begegnen wolle. Neubauten würden zudem weitaus länger dauern, möglicherweise aber nicht einmal zu besserer Luft oder weniger Staus führen. Nach Cramers Angaben könnte die BVG 200 Millionen Mark sparen, wenn Busse und Bahnen durchgehend fahren, weil die geplanten Abstellanlagen am U-Bahnhof Hermannstraße, auf dem Süd- und Nordring nicht gebaut werden müßten.

Im Westteil der Stadt bräuchte die BVG für die U-Bahnen statt den bisher in der Nacht arbeitenden 184 Angestellten zusätzlich 104 und bei der S-Bahn zusätzlich 14. Das meiste Geld würden die zusätzlich gefahreren Kilometer kosten. Der Bau eines einzigen Parkplatzes in der Innenstadt koste dagegen 100.000 Mark, da die Abstellplätze aus Platzmangel meist nur noch unterirdisch angelegt werden könnten. Auch diese immensen Summen könnten eingespart werden. Dirk Wildt