Teurer Nordirlandkonflikt

■ 1,3 Milliarden DM jährlich vor allem für die Polizei ABT. VERGESSENE OKKUPATIONEN

Dublin (taz) — Der nordirische Konflikt kostet die Regierungen in London und Dublin 436 Millionen Pfund (1,3 Milliarden DM) im Jahr. Das geht aus einem Bericht des Dubliner Wirtschaftsinstituts Kelleher McCarthy hervor. Das Institut betonte jedoch, daß es sich bei den Zahlen nur um Schätzungen handeln könne. Die Kosten für „Sicherheitsmaßnahmen“ machen dabei den Löwenanteil aus.

Zwischen 1970 und 1988 kam es in Nordirland zu 32.000 Schießereien und knapp 9.000 Bombenexplosionen. 2.700 Personen wurden getötet, fast 30.000 verletzt. Die konfliktbedingten Mehrkosten im „Sicherheitsbereich“ werden in dem Bericht mit 398 Millionen Pfund (etwa 1,15 Milliarden DM) veranschlagt, wovon auf Großbritannien fast 85 Prozent entfallen. Die Kosten für die Polizei liegen in Nordirland weitaus höher als in anderen europäischen Regionen: Sie betragen 1,25 Millionen Pfund pro Tag. Im Haushalt sind insgesamt 684 Millionen Pfund (knapp zwei Milliarden DM) im Jahr für Polizei, Gefängniswesen und Entschädigungen bei Bombenanschlägen vorgesehen. Nicht darin enthalten sind die Kosten für die britische Armee und ihre nordirische Einheit „Ulster Defence Regiment“ (UDR).

Die Dubliner Regierung schätzt, daß sie seit Ausbruch des Konflikts vor 21 Jahren ungefähr 2,5 Milliarden Pfund (6,75 Milliarden DM) für „Sicherheitsmaßnahmen“ in Verbindung mit dem Konflikt ausgegeben hat. Daneben erleide die Tourismusindustrie in beiden Teilen Irlands Verluste in Höhe von 36 Millionen Pfund im Jahr, heißt es in dem Bericht. Zwischen 1967 und 1972 sank die Zahl der NordirlandbesucherInnen von 1,1 Millionen auf 400.000. Die Steuereinnahmen in diesem Bereich betragen heute nur noch 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts. 1988 kamen 13 Prozent der TouristInnen von außerhalb Irlands und Großbritanniens, und nur 14 Prozent waren „reine Urlaubsreisende“.

Aufgrund des Rückgangs ist auch die Zahl an Hotel- und Pensionsbetten drastisch gesunken. Falls der Konflikt beigelegt würde, so schätzen Kelleher McCarthy, wären Investitionen in Millionenhöhe erforderlich, um den dann zu erwartenden TouristInnenstrom zu bewältigen. Die Steuermehreinnahmen würden in diesem Fall jedoch 20 Millionen Pfund im Jahr betragen. Auch in der Republik Irland habe der Konflikt zu einem Rückgang des Tourismus geführt, wenn auch in geringerem Maße. Zwischen 1969 und 1972 sanken die Einnahmen in diesem Bereich um 20 Prozent.

Darüber hinaus werde, laut Bericht, die industrielle Entwicklung Nordirlands durch den Konflikt behindert, da multinationale Konzerne vor Investitionen in Nordirland zurückschreckten. „Politische Stabilität wurde in verschiedenen Umfragen von multinationalen Unternehmen als wichtigster Punkt bezeichnet, und viele Firmen halten Investitionen in Nordirland offensichtlich für zu riskant“, sagte Colm McCarthy, einer der Autoren des Berichts, zur taz. Jobs in ausländischen Unternehmen machen lediglich 15 Prozent aller dortigen Arbeitsplätze aus. Nordirland leidet insgesamt unter den schlechtesten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im gesamten Vereinigten Königreich. Die Arbeitslosenzahl ist mehr als doppelt so hoch wie die Durchschnittsrate.

Nach offiziellen Angaben hat der gewalttätige Konflikt bisher die Verbindung der Stromnetze zwischen Norden und Süden verhindert. Beide Stromgesellschaften beziffern die dadurch entgangenen Einsparungen auf je eine Million Pfund. Darüber hinaus fallen auch im Transportbereich Sonderkosten an, die in dem Bericht von Kelleher McCarthy nicht berücksichtigt sind: Von Dezember 1988 bis April 1990 hat die Irisch-Republikanische Armee (IRA) die Eisenbahngleise zwischen Belfast und Dublin über hundert Mal in die Luft gesprengt. Ralf Sotscheck