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Tausende Granaten der US-Armee defekt?

Schlamperei bei Herstellung konventioneller Munition führte bereits zu zwei Toten bei Granatentests  ■ Aus Washington Andreas Zumach

Bereits 10 der 16 US-Soldaten, die bis gestern im Golfkrieg ihr Leben ließen, starben durch friendly fire, wie es in der Militärsprache euphemistisch heißt. Wenn die US-Armee diese Woche in den Bodenkrieg gegen die irakischen Truppen ziehen sollten, könnte die Zahl der durch eigene Waffen getöteten und verwundeten GIs noch erheblich ansteigen. Der Grund: möglicherweise Tausende der Granaten vom Kaliber 87 bzw. 81 Millimeter sind wegen Schlamperei bei der Herstellung defekt. Bei Tests in den USA kamen mindestens zwei Menschen ums Leben.

Produzent der Granaten ist die Rüstungsfirma Riverbank Amunition in Riverbank, Kalifornien. Über die Jahre lieferte sie mehr als eine Million der beiden Granatentypen an das Pentagon. Doch nach Aussage von Roger Kaiser und acht weiteren Ex-Beschäftigten wurde bei der Herstellung erheblich geschlampt. Die Produktion geschah überwiegend im Bewußtsein, lediglich die Lagerbestände der Streitkräfte aufzufüllen. Die Möglichkeit eines Krieges, in dem die Granaten zum Einsatz kommen könnten, wurde weitgehend verdrängt.

In den Reagan-Jahren, als ein immer größerer Teil des Pentagon-Budgets für die Entwicklung und Herstellung von High-Tech-Waffen aufgewandt wurde, sahen sich die Produzenten herkömmlicher Munition unter wachsendem Druck, kostengünstige Angebote vorzulegen. Bei Riverbank wurde die Fließbandgeschwindigkeit erhöht, um den Produktionsausstoß zu vergrößern. Wenn MitarbeiterInnen einzelne Granaten mit offensichtlichen Mängeln aussortierten, legten Vorarbeiter sie zurück aufs Band. Roger Kaiser: „Das Einzige, was zählte, waren die Produktionsstückzahlen.“ Kaiser und die anderen acht Ex-Beschäftigten schließen nicht aus, daß die Herstellungskosten unter den gegenüber dem Pentagon ausgewiesenen lagen und sich Mitglieder der Firmenleitung auf diese Weise zusätzliche Einnahmen verschafften. Die Ex-MitarbeiterInnen schätzen, daß über die Jahre mehrere tausend defekte Granaten an die Armee geliefert wurden.

Als bei Tests im Mai 1986 auf einem firmeneigenen Versuchsgelände ungenau montierte Granaten vorzeitig explodierten, kamen zwei Mitarbeiter ums Leben, ein dritter wurde verletzt. Der Vorfall wurde fast fünf Jahre lang vertuscht. Die Untersuchungsakten wurden geschlossen, obwohl ein Inspekteur der Armee die Zustände bei Riverbank für so gravierend eingeschätzt hatte, daß er die Schließung der Firma empfahl. Ende vergangenen Jahres erhielt Riverbank einen neuen großen Granatenauftrag von der US-Armee. Jetzt betreibt ein Senator aus Iowa die Wiedereröffnung der Untersuchung.

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