EG müht sich um gemeinsame Nahostpolitik

Treffen der EG-Außenminister diskutiert Nahostpolitik nach dem Krieg: Hilfe zum Wiederaufbau, aber bitte nicht zu teuer/ Stimmung schwenkt gegen PLO als Verhandlungspartner/ Streit um Sicherheitspolitik: Mittelmeer-KSZE oder Golf-Nato?  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Weil sie über die Frage „Krieg oder Frieden am Golf“ nur „unvollständig harmonisiert“ sind, konzentrieren sich die EG-Außenminister lieber auf die Zeit danach. Bei ihrem heutigen Treffen in Luxemburg steht so die Beteiligung am Aufbau der vom Krieg betroffenen Regionen an oberster Stelle. Eigens dazu produzierte die EG-Kommission ein sogenanntes Non-Paper, das allerdings an der spannendsten Stelle passen muß: Ob sich die EG stärker am Golf, wie es die Briten wollen, oder doch eher am Südrand des Mittelmeers engagiert, wie es in Madrid und Rom geplant wird, ist noch ebenso unklar wie die Herkunft der dafür benötigten Mittel. Dennoch lassen sich schon einige Wegweiser im Wüstenweit der EG-Nahostpolitik ausmachen.

Beispiel PLO: Der Druck der US- Regierung auf die EG-Führung, die PLO als Partner bei internationalen Verhandlungen über die Zukunft der Palästinenser fallen zu lassen, trägt erste Früchte. Trotz gegenteiliger Rhetorik und Hilfszahlungen scheint sich die Stimmung im Ministerrat und auch in der EG-Kommission immer stärker gegen die PLO zu wenden.

Beispiel Finanzen: Allein die Sanierung der bombenzerstörten Länder Irak und Kuwait, so die Schätzung der EG-Kommission, könnte 150 Milliarden DM kosten. Grundsätzlich zeigen sich die Außenminister zwar auch bereit, für den Aufbau in die Tasche ihrer Schatzmeister zu greifen; zu tief allerdings nicht: Das Maximum wäre wohl, weissagte ein Kommissionsbeamter letzte Woche, wenn zusätzlich zu den rund 4,5 Milliarden DM Entwicklungshilfe für die südlichen Mittelmeeranrainer ein Scheck über 1 Milliarde DM für einen gerade entstehenden Golf-Wiederaufbaufonds unterschrieben würde. Schließlich hätten sich die Zwölf mit den „enormen Zahlungen“ an Mittelosteuropa und der humanitären Hilfe für die Flüchtlinge aus der Region sowie der Soforthilfe für die drei von dem Embargo gegen den Irak am stärksten betroffenen Länder Türkei, Jordanien und Ägypten bereits erschöpft. Statt dessen sollen die reichen Golfstaaten, die schon einmal in den 70er Jahren bis zu fünf Prozent ihres Sozialprodukts zur Entwicklung ihrer mittellosen Nachbarn zur Verfügung gestellt hatten, an diese gute Tradition erinnert werden.

Beispiel regionale Zusammenarbeit: Weil es nach EG-Kommissionschef Jacques Delors nicht angeht, daß 45 Prozent der Öleinnahmen der Region für Waffenkäufe, jedoch nur 25 Prozent für Entwicklungshilfe ausgegeben werden, will man dieses Mal den Einkaufszettel im Auge behalten. Dazu sollen die bestehenden Bande mit regionalen Zusammenschlüssen wie dem Golfkooperationsrat und der Arabischen Maghreb- Union verstärkt werden. Zwar gibt es bereits seit Mitte der 70er Jahre Freihandelsabkommen mit diesen Ländern, und 1988 wurde ein weiteres Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet; gehalten hat sich die EG allerdings nie daran. Gegen eine engere Kooperation mit den sechs Golfstaaten wehrt sich vor allem die petrochemische Industrie der EG. Im Ölzentrum Rotterdam fürchtet man die billige Konkurrenz.

Beispiel Ölpreis: Entscheidend für das Wohlergehen der ganzen Region sei eine Anhebung des Ölpreises, weiß der bereits zitierte EG- Beamte zu berichten. 20 bis 25 US- Dollar pro Barrel könnte der Westen leicht verkraften. Damit könnte im Windschatten der Golfkrise auch gleich, so das Kalkül in der Brüsseler EG-Zentrale, die EG-weite Anhebung der Mineralölsteuer (nach dem letzten Vorschlag um etwa 34 Pfennig pro Liter verbleiten Benzins) durchsetzbar werden, nachdem ökologische Gesichtspunkte bislang nicht zugkräftig genug waren.

Beispiel Sicherheitspolitik: Diese sei jetzt wichtig, so Delors, weil sich dort vor allem zwei Probleme zeigen: die Erpreßbarkeit des Westens durch die Kontrolle über die Ölquellen und die Bevölkerungsexplosion, die nach Europa überschwappt und dort den sozialen Frieden stört. Unterstützt wird EG-Kommissionschef Delors hauptsächlich von den Regierungen in Madrid und Rom. Der italienische Außenminister Gianni De Michelis wirbt bereits seit letzten Sommer für eine „Mittelmeer-Dimension“ der Sicherheitspolitik im Rahmen einer KSZE-Konferenz über „Sicherheit im Mittelmeerraum und in der Golfregion“ (KSZM). Damit könnten, so die Hoffnung, auch politische Fragen wie die Zukunft von Diktatoren in der Region und Minderheitenprobleme wie das der Kurden zur Sprache kommen. Dieser Vorschlag stößt allerdings in London und Den Haag auf wenig Gegenliebe. Dort bevorzugt man den Ausbau des Golfkooperationsrats einschließlich Ägyptens zu einer militärischen Sicherheitsgemeinschaft — einer Art Golf-Nato unter anglo- amerikanischer Führung.