Schmalz, z.T. gehärtet

■ Das Vogler-Quartett mit dem 11. Streichquartett von Schostakowitsch

Dmitrij Schostakowitsch, ein neuer Klassiker? Fünfzehn Jahre nach seinem Tod sieht es so aus, als ob seine Werke den Sprung in das Repertoire der etablierten Konzertreihen schafften. Im 5. Philharmonischen Kammerkonzert am Montagabend in der Glocke gab es begeisterte Zustimmung für sein 11. Streichquartettt und das Vogler-Quartett aus Berlin, welches das Werk interpretierte, nebst einem Quartett von Beethoven (op. 18,2) und dem a-moll-Quartett (D 804) von Schubert.

Schostakowitsch bietet seinen ZuhörerInnen starke Gefühlserlebnisse, die sich unmittelbar mitvollziehen lassen. Der Tod eines engen Freundes, des Geigers Wassilij Schirinski, war Anlaß und Thema des 11. Quartetts. Das siebensätzige Werk zitiert zunächst den Gestus und die Struktur traditioneller Quartettkompositionen.

Nach einer klagenden Elegie werden dann in einem Epilog die Gedanken der vergangenen Sätze in die Erinnerung zurückgeholt. Der Satz endet offen, leise, ersterbend.

Auch die thematisch-motivische Struktur bietet sich anschaulich dar. Das Volkstanz-Thema des zweiten Satzes — an sich schon sehr leicht erfaßbar - liegt in simplen rhythmischen und melodischen Varianten auch den anderen Sätzen zugrunde. Das Wohlgefallen an Schostakowitsch, seine Aunahme in den Reigen seliger Meister, hat so nicht zuletzt seinen Grund darin, daß seine zeitgenössische Musik (das 11. Quartett entstand 1966) sich oft nicht gegen traditionelle Hörweisen sperrt.

Das 11. Quartett hat mich nun allerdings nicht überzeugt. Sein opportunistischer Schmalz wurde vom Vogler-Quartett noch durch betont „süße“ Glissandi verstärkt. Müde humpelte der Volkstanz daher, um dann auch noch gleich in einem gelehrt-steifen Fugato verarbeitet zu werden. Gediegen, gediegen!

Und wenn es um die Trauer geht, entzieht sich Schostakowitsch einer persönlichen Stellungnahme: Er zitiert den Trauermarsch aus Beethovens „Eroica“ herbei. (Hartmut Lück allerdings meint in seinem Einführungsvortrag, der punktierte Rhythmus sei vom ersten Satz der „Mondschein-Sonate“ abgeleitet.)

So trauert der Bildungsbürger. Die Reduktion der Mittel im Quartett, die lapidare Kürze der Sätze zielt meiner Meinung nach eitel auf die Stilmerkmale von Reife und Spätwerk. Doch nicht jedes Verstummen ist auch beredt.

In anderen Werken, vor allem in seinen Symphonien, hat Schostakowitsch abseits von der westlichen Avantgarde und unter völlig anderen ästhetischen Voraussetzungen großartige Musik komponiert. Auch davon war im 11. Streichquartett etwas zu spüren: Zum Beispiel in dem ruppigen Einbruch des Cellos, mit dem es in dem mit „Etüde“ betitelten Satz die redselige Fidelei der Sologeige barsch beendete.

Axel Weidenfeld