Nicaragua hofft auf Geld für den Wirtschaftsaufbau

■ Präsidentin Chamorro gestern auf ihrer Europareise in Bonn eingetroffen

Managua/Bonn (taz/ap) — Möglichst viel Geld will die nicaraguanische Präsidentin Violeta Chamorro, die gestern in Bonn ankam, von ihrer ersten offiziellen Europareise nach Hause mitbringen. Bis Freitag will sie Bundeskanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel die politische Lage in Mittelamerika und vor allem die schwierige wirtschaftliche Situation ihres Landes verdeutlichen. Nur wenn das mittelamerikanische Land bis Ende März 350 Millionen Dollar alter Schulden zurückzahlt, so die Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF), bekommt es 500 Millionen Dollar neue Kredite von der Weltbank. Und dieses Geld braucht das Land dringend, um die marode Wirtschaft in den nächsten zwei Jahren über die Runden bringen zu können.

Nicaragua ist — bezogen auf die Pro-Kopf-Verschuldung — mit elf Milliarden Dollar das am höchsten verschuldete Land der Subregion. Die Inflationsrate von 11.000 Prozent im Jahr 1990 ist ein Indikator der grundlegenden Wirtschaftsschwäche. Der erhoffte Aufschwung im Jahr eins nach den Sandinisten ist bisher ausgeblieben. Auf ausländische Investitionen warteten die NicaraguanerInnen bisher genauso vergeblich wie auf den versprochenen Dollarsegen aus den USA.

Von der Bundesrepublik ist zwar nach der Regierungsübernahme Chamorros im April 1990 die Hälfte eines bis dahin eingefrorenen Kredits in Höhe von 52 Millionen Mark freigegeben und ausgezahlt worden. Darüber hinaus hofft der nicaraguanische Innenminister Carlos Hurtado aber, daß Bonn die Zahlungen, die bisher von der DDR geleistet wurden, übernimmt. Für einen Neuaufbau der Sicherheitskräfte beispielsweise hätte Hurtado, der Violeta Chamorro begleitet, gerne „mindestens 15 Millionen Mark“.

Im Bereich der Sicherheits- und Außenpolitik war die DDR früher nach der Sowjetunion die wichtigste Partnerin. In Regierungskreisen wurde daher gestern erwartet, daß die Bundesregierung weitere Hilfen zusagen wird. So wird Chamorro wohl mindestens Finanzierungszusagen für neue Entwicklungsprojekte heimbringen. Ein Beitrag für den Sozial- und Notstandsfonds steht auf ihrer Wunschliste ganz oben, mit dem sie die demobilisierten Contras und Armeeangehörigen in zivilen Berufen ausbilden lassen will. Auch die Weiterfinanzierung der von der DDR geerbten Projekte, wie des Carlos-Marx-Krankenhauses in Managua, eines Hausbauprogramms an der vom Hurrikan verwüsteten Atlantikküste sowie einer Agrarschule im Süden, wird wohl nicht abgelehnt werden.

Schließlich wird in Bonn auch die Außenministerkonferenz EG — Zentralamerika vorbereitet, die am 18. und 19. März in Managua stattfinden soll. Seit 1984 finden diese Treffen jedes Jahr abwechselnd in Zentralamerika und in Europa statt. 1990 hatten die EG-Staaten 48 Millionen Ecu für Projekte in ganz Zentralamerika bewilligt. Auf einen Beitrag zur Begleichung der multilateralen Schulden durch Bonn kann Chamorro allerdings kaum hoffen.

Und selbst in der Frage der Schulden, die Nicaragua noch bei der Bundsrepublik hat, wird Kohl seine Gäste wohl vertrösten. Denn derartige Schuldenstreichungen müssen mit den anderen Industrieländern aus dem Pariser Club verhandelt werden. Gespräche darüber sind für Ende März angesetzt. ral/dri