Irans Außenminister umwirbt die Deutschen

Ali Akbar Velayati optimistisch über baldigen Frieden am Golf/ Das Mullah-Regime will seinen regionalen Einfluß ausbauen Deutsch-iranische Beziehungen sollen intensiviert werden/ Proteste iranischer Oppositioneller  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Ali Akbar Velayati gab sich ganz sicher: Bagdad, so befand der als Gast in Bonn weilende iranische Außenminister gestern vor JournalistInnen, sei zusammen mit der Sowjetunion nun zu einer friedlichen Lösung des Golfkrieges bereit. Es werde sich, so „mein Eindruck nach Gesprächen mit Iraks Außenminister Tarik Asis“, auf der Grundlage der sowjetischen Vorschläge bedingungslos aus Kuwait zurückziehen. Daß auch der Iran den sowjetischen Friedensplan so massiv unterstützt, dürfte die Bundesregierung erneut unter Druck setzen. Seit längerem schon würde Bonn Teheran und Moskau bei deren koordiniertem Bemühen um ein Endes des Krieges gern unterstützen, wenn nicht die USA Bedenken gegen einen Waffenstillstand hätten.

Nach dem Krieg müßten sich die Verhältnisse in der Golfregion stabilisieren, müßte ein Modell der Sicherheit und Zusammenarbeit dort installiert werden, das alle betroffenen Länder einschlösse, so der iranische Außenminister. Nur sehr vage war Ali Akbar Velayati gestern vor den Bonner MedienvertreterInnen, als es um die sogenannte Friedensordnung am Golf nach dem Krieg ging. Lediglich soweit wollte er sich festlegen: Die Friedensordnung müsse auf Golf-Anrainerstaaten beschränkt bleiben — sprich, darf Israel, Syrien oder Ägypten nicht einschließen. Ein Übereinkommen für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Golfregion werde die sechs Staaten des Golf-Kooperationsrates sowie Iran und Irak betreffen.

Freilich weiß man von Teheran, daß es in dem politischen und militärischen Machtgefüge, welches sich dort bilden wird, unbedingt eine wichtige Rolle einnehmen will. Dies kollidiert jedoch mit arabischen Vorstellungen von einer Nachkriegsordnung am Golf: Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien streben an, in der Region ein sogeanntes kollektives Sicherheitssystem zu bilden, also eine neue Machtachse zu schmieden. Hierfür soll das reiche Saudi-Arabien bezahlen, Ägypten Truppen und Arbeitskräfte stellen und das strategisch wichtige Syrien seinen Einfluß in der Region geltend machen. Was Ali Akbar Velayati und Hans-Dietrich Genscher während des Arbeitsbesuches hierzu besprochen haben, dürfte sich kaum mit dem Wirken des deutschen Außenministers in der vergangenen Woche vereinbaren lassen: Während einer kurzen Reise durch den Nahen Osten erklärte Genscher Ägyptens Mubarak und Syriens Assad, Deutschland werde ein „kollektives Sicherheitssystem“, geprägt vor allem von diesen arabischen Staaten, unterstützen.

Allerdings: Gestritten haben werden sich Vertreter der Bundesregierung und der iranische Außenminister über diese „Nachkriegsordnung“ nicht. Dafür ist sie, in den arabischen wie in den iranischen Plänen, noch viel zu unausgegoren. Dafür erscheint sie, angesichts der ungewissen Lage am Golf, in jeder denkbaren Form als wenig realistisch. Dafür schließlich, ist Ali Akbar Velayati nicht nach Bonn gekommen.

Dem Iraner geht es in der BRD vor allem darum, Teherans sich wandelnde internationale Rolle zu festigen und auszubauen. Das jahrelang vor allem von den USA, Großbritannien und Frankreich geächtete Mullah-Regime gewinnt zusehens an Reputation: als neutrale Partei im Krieg am Golf, als mäßigender Faktor in der politisch explosiven Region, als möglicher Vermittler zwischen dem Irak und den Alliierten. Wesentlich von Teheran hängt es ab, ob die regionale Allianz gegen den Irak nicht auseinanderbricht. Überdies gewinnt das Mullah-Regime infolge des Krieges auch wirtschaftlich — und damit natürlich politisch: Es verdient an höheren Erdöleinnahmen, an Geschäften mit Importgütern, der der Irak dringend braucht.

Nur freundliche Worte fand Velayati gestern vor den Bonner JournalistInnen über seinen Gastgeber: Deutschland habe als „wichtiges“ europäisches Land auch eine wichtige Rolle in der nah- und mittelöstlichen Region. Da keiner der Staaten dort „schlechte Erinnerungen“ an die Deutschen habe, gelte es, wirtschaftliche Beziehungen zu den betreffenden Staaten auszubauen. Auch Teheran wolle seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zu Bonn intensivieren. Obwohl das Mullah-Regime sich seit jeher als schärfster Antiimperialist im Orient zu profilieren sucht, überrascht das einladende Wohlwollen Velayatis gegenüber den Deutschen nicht: Die Beziehungen zwischen der bundesdeutschen Regierung und der iranischen Führung waren — im Vergleich — schon immer sehr gut. So hat 1984 Hans-Dietrich Genscher als erster Außenminister eines westlichen Industriestaates den in der kapitalistischen Hemisphäre geschmähten Iran besucht, 1987 war Velayati hier. Bonn hat mit Teheran gekungelt, um die amerikanischen Botschaftsgeiseln und später den im Libanon gefangenen Rudolf Cordes freizubekommen. Bonn hat stets abgewiegelt, wenn es zu Zeiten des Iran-Irak-Krieges in der UNO gegen den Iran ging. Schließlich schickte Bonn den deutschen Botschafter sang- und klanglos wieder nach Teheran, nachdem es ihn wegen des iranischen Mordaufrufs gegen den Schriftsteller Rushdie abgezogen hatte.

„Wir protestieren gegen die Unterstützung des menschenrechtsverletzenden iranischen Regimes durch die Bundesregierung...“ Solche und ähnliche Erklärungen, die iranische Oppositionelle anläßlich des Velayati-Besuches in Bonn verteilten, dürften die Bundesregierung auch deswegen überhaupt nicht interessieren: Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran.