Iran setzt auf die Zustimmung Iraks

■ Mit Spannung wird die Reaktion aus Washington auf den Gorbatschow-Plan erwartet

Niemand hatte ernstlich damit gerechnet, daß der irakische Außenminister Tarik Asis bei seiner Zwischenstation in Teheran den Inhalt des Gorbatschow-Plans gegenüber den anwesenden Journalisten bekannt geben würde. Er reiste gestern vormittag, nach einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Rafsandjani, weiter nach Bagdad.

Die iranische Zustimmung zum Gorbatschow-Plan kommt nicht überraschend. Er enthält zumindest die Forderung nach einer Feuerpause für den irakischen Rückzug aus Kuwait — und damit das, was die iranische Führung seit Wochen erreichen will. Außerdem ist offenbar eine Garantie für die staatliche und geographische Integrität des Irak vorgesehen, eine Forderung, die Teheran seit Kriegsbeginn immer wieder aufgestellt hatte. Denn nachdem das militärische Potential des einstigen Feindes weitgehend zerstört worden ist, hat Teheran eine bessere Chance, am Golf eine Vormachtrolle zu spielen als im Falle eines zerstückelten Irak. Dies würde nur die Rivalen in der Region stärken, könnte sogar die dauerhafte Präsenz der Alliierten nach sich ziehen.

Über Saddam Husseins Reaktion wird in der iranischen Hauptstadt nicht groß spekuliert. Tarik Asis schien sowohl in Moskau als auch in Teheran in einer aufgeräumten Stimmung zu sein. Außerdem war die hochrangige Delegation nicht bloß zur Entgegennahme eines Briefes an Saddam Hussein unterwegs; die führenden Funktionäre der Baath-Partei hatten in Moskau etwas auszuhandeln. Nach Ansicht von Beobachtern in Teheran gilt es als sicher, daß Saddam Hussein den ersten Punkt des Plans, den bedingungslosen Rückzug aus Kuwait, akzeptieren wird; Bagdad hat in den letzten Tagen immer wieder behauptet, der irakische Vorschlag vom vergangenen Freitag sei mißverstanden worden. Man habe der UN-Resolution 660 über den Abzug aus Kuwait bereits zugestimmt.

Aus iranischer Sicht wird Saddam Hussein mit dem Friedensplan wenig Probleme haben, zumal die offenbar vorgesehene Nichtangriffsgarantie in dieser auswegslosen Situation das wichtigste zu sein scheint, was Saddam sich wünschen kann. Spannender als die Reaktion aus Bagdad ist daher die aus Washington. Es gilt seit Wochen als offenes Geheimnis, daß die Verbündeten, vor allem die Briten und die USA, auf einen Sturz Saddam Husseins hinarbeiten. Ihr politisches Ziel ist nicht allein die Befreiung Kuwaits, sondern auch die Schaffung einer neuen Sicherheitsordnung in der Region. Bleibt Saddam Hussein aber an der Macht, dann hat der Westen dieses politische Ziel verfehlt.

Nicht nur einflußreiche Politiker in Washington wie Alexander Haig, Caspar Weinberger und indirekt auch George Bush haben in der letzten Zeit darauf hingewiesen, daß Saddam Hussein unbedingt entmachtet werden muß. Auch hier in der Region haben beispielsweise der türkische Staatspräsident Turgut Özal und der syrische Außenminister Faruk al Sharaa erklärt, daß sie sich eine friedliche Nachkriegszeit mit Saddam an der Spitze der irakischen Regierung kaum vorstellen können. Sollten die USA den Gorbatschow- Plan und damit den Verbleib Saddams an der Macht akzeptieren, wäre das künftige Sicherheitssystem ohne die Achse Moskau-Teheran-Bagdad nicht vorstellbar. In dem Fall nämlich wird nicht allein der Westen zu bestimmen haben, wie die Lösungen für die vielfältigen Probleme im Nahen Osten aussehen werden. Andererseits kann George Bush im Falle einer Bereitschaft des Irak zum Rückzug aus Kuwait eine Fortsetzung des Krieges kaum noch legitimieren. Deshalb darf man weniger auf die Antwort aus Bagdad als auf die Reaktion aus Washington gespannt sein. Ali Sadrzadeh, Teheran