In Bagdad ist der Optimismus verflogen

■ Nach der Ablehnung des Rückzugsangebots rechnet man im Irak mit dem Bodenkrieg

Nachdem die Iraker einen Monat lang mitangesehen hatten, wie ihr Land zerstört wurde und immer mehr Zivilisten den Angriffen zum Opfer fielen, war die Stimmung in der Bevölkerung zunehmend düsterer geworden. Man erwartete eine Initiative der politischen Führung, die zu einem Ende der Luftangriffe führen würde. Zwar ist „Kuwait nur ein Vorwand unserer Feinde, den Irak zu zerstören“, andererseits ist „Kuwait das alles aber nicht wert“.

Die Erklärung des Kommandorates, die Radio Bagdad am Freitag veröffentlichte, hatte zunächst große Freudenkundgebungen auf den Straßen ausgelöst. „Saddam Hussein ist ein Mann, der die Stimmung, die Psyche seines Volkes sehr genau versteht“, sagte mir einer der ausländischen Botschafter in Bagdad, „mit dieser Initiative wollte die irakische Führung der Bevölkerung mitteilen: 'Wir bringen ein großes Opfer, um Euch zu retten, aber die Feinde wollen unser Vaterland zerstören‘.“ In der Lobby des Ar-Rashid-Hotels versuchten die Journalisten in langen Diskussionen, den Sinn der Initiative zu ergründen. Am Rande stand auch der Generaldirektor des Informationsministeriums, Nadji Al-Hadithi. Als ein deutscher Journalist den Satz wagte, „Das ist das Ende des Krieges“, lächelte er nur spöttisch, als wolle er sagen: „Wie naiv Ihr seid.“

Nachdem die BagdaderInnen anschließend stundenlang an ihren Radios geklebt hatten, überwogen am Abend bereits Wut und Enttäuschung — über die französische und die amerikanische Reaktion. Aus der Sicht der Iraker ist damit endgültig der politische Beweis erbracht, daß es der multinationalen Allianz nicht um die Befreiung Kuwaits, sondern um die Zerstörung des Irak geht.

Natürlich war die Erklärung des Revolutionären Kommandorates nicht allein innenpolitisch motiviert. Die irakische Führung will nun offenbar doch deutlich machen, daß sie bereit ist, den Golfkonflikt durch Verhandlungen zu lösen. Klar ist, daß die Bodenoffensive sehr bald beginnen wird, allerdings nicht bevor die Kampfkraft der irakischen Armee weitgehend zerstört ist. Man rechnet mit dem plötzlichen Beginn einer schweren und die vorherigen Angriffe bei weitem übertreffenden Runde von Luftangriffen.

Die Erklärung über die Anerkennung der UNO-Resolution 660 sollte die über das UN-Mandat zur Befreiung Kuwaits hinausgehenden Kriegsziele der multinationalen Truppen vor dem Beginn der Bodenoffensive offenlegen. Sie war auch eine Reaktion auf die sich mehrenden Anzeichen von Enttäuschung „befreundeter“ Staaten, aus dem Iran, der Sowjetunion und aus arabischen und blockfreien Ländern: „Würde der Irak seine Bereitschaft zum Abzug öffentlich kundtun, wären wir bereit, erneut Anstrengungen zur friedlichen Beilegung des Konfliktes zu unternehmen.“

Das Timing der Erklärung sollte die US-Pläne zum frühen Beginn des Bodenkrieges durcheinanderbringen und das folgende Szenario einleiten: Außenminister Asis trägt der sowjetischen Führung im Detail vor, worauf der Irak maximal verzichten wird. Dann verhandelt die UdSSR mit Unterstützung von zehn arabischen und mehreren blockfreien Staaten (Indien, Jugoslawien, Iran u.a.) die irakischen Vorschläge mit den USA. Man hofft in Bagdad, daß die Initiative auch Einfluß auf Frankreich haben wird. Es wird damit gerechnet, daß die USA mit dem Bodenkampf beginnen, bevor dieser diplomatische Prozeß beendet ist, daß sie aber zugleich erhebliche Schwierigkeiten bei der Legitimation des Krieges bekommen werden.

Nun ist der Optimismus der Iraker, daß der Krieg ein Ende haben werde, endgültig verflogen. Am Wochenende besuchte ich eine kleine Stadt in der Nähe von Bagdad, Fallouga, wo auf dem Marktplatz gerade eine Bombe eingeschlagen war. 34 Menschen kamen ums Leben, 50 wurden schwer verletzt. Eine Menschenmenge scharte sich um mich: „Sie sind Lügner“, schrien sie auf meine Frage nach ihrer Meinung über die irakische Initiative und die Reaktion der USA, „jetzt wissen wir, daß sie den Irak zerstören wollen.“ Khalil Abied, Bagdad