Hungerstreik gegen „Enver-Hoxha-Uni“

Mehr als 700 albanische StudentInnen hungern für Namensänderung in der Universität/ Berg- arbeitergewerkschaft ruft zum Generalstreik auf / Kosovo-Albaner sehen Einheit der Nation bedroht  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Etwa 750 StudentInnen der Enver- Hoxha-Universität in Tirana, unter ihnen 250 Frauen, befinden sich seit Montag im Hungerstreik, um ihrer Forderung nach Umbennung der Universität Nachdruck zu verleihen. 7.000 der 12.000 Dozenten und Studenten der Universtität unterschrieben einen entsprechenden Aufruf. Die Universität solle sich vom Namen des Diktators und kommunistischen Staatsgründers befreien. An anderen Hochschulen geht unterdessen der vor zwei Wochen ausgerufene Streik für den Rücktritt der Regierung unvermindert weiter. Auch die Bergarbeitergewerkschaft hat sich hinter die Studenten und Dozenten gestellt und zu einem Generalstreik aufgerufen. Mehrere tausend Menschen sollten gestern in Tirana an einer Solidaritätsdemonstration teilgenommen haben. „Studenten, wir sind mit euch“, riefen sie Augenzeugen zufolge. Widerspruch gab es dagegen in der Stadt Berat, wo nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagetur 'Ata‘ eine Demonstration von „Enver-Hoxha“-Aktivisten stattgefunden haben soll.

Nach einer gestern im staatlichen Sender Radio Tirana verlesenen Erklärung des Innenministeriums seien „finstere Kräfte dabei, in der Hauptstadt Unruhen zu provozieren“ und aus diesem Grunde habe man die „Verlegung der Streitkräfte in die städtischen Zentren“ anordnen müssen. „Das Innenministerium sah sich veranlaßt, die sozialistische Volksarmee Stellung beziehen zu lassen.“ Ausländischen Journalisten ist augenblicklich die Einreise nach Albanien verwehrt.

Glaubt man Radio Tirana, so finden diese „vorbeugenden Maßnahmen“ in der Bevölkerung weiten Widerhall. In einer Erklärung der bäuerlichen Kolchosen von Ballash heißt es: „Wir wollen ein freies demokratisches Albanien, in dem nicht irgendeine Gruppe von Studenten privilegierte Sonderrechte hat, sondern gleiche Rechte für das ganze Volk gelten.“ Dies sei das „heilige Ziel“, so wörtlich, das Genosse Ramiz Alia anstrebe und wofür ihm Dank gebühre. Auf der anderen Seite gestand gestern selbst das ZK-Organ 'Zeri 1 popullit‘ ein, die Arbeiterschaft sei über die Aktionen der Studenten tief gespalten.

In Tirana schlossen sich bisher 32 staatliche Großbetriebe mit Unterstützungsaktionen den Hungerstreikenden an. Sie ließen für eine Stunde die Arbeit ruhen. Vadil Kosmaj von der Freien Bergarbeitergewerkschaft, der einzigen legalen unabhängigen Interessenvertretung von Arbeitern im Lande, erklärte gestern, die Arbeiterklasse befinde sich in einer komplizierten Situation, da die politische Lage unübersichtich geworden sei. Die Arbeiter sollten „den schönsten Teil unseres Volkes, die studentische Jugend, mit allen Kräften unterstützen“.

In Kosovo dagegen rief am Dienstag der „Demokratische Club“ die Studierenden Albaniens auf, den Streik abzubrechen. Angesichts der Unterdrückung der Albaner in Jugoslawien sollten die Studenten nicht „die Einheit des albanischen Volkes gefährden“.