„Der Helmut“ ist weg

■ Der FC St. Pauli feuerte seinen Trainer PRESS-SCHLAG

Helmut Schulte darf nicht mehr König am Millerntor sein: Fristlos, zur Überraschung der meisten Anhänger des FC St. Pauli und ganz nach hanseatischer Art, wurde der 33jährigen Mann aus dem Sauerländischen gekündigt und durch den Ex-Uerdinger Horst Wohlers ersetzt. „Maßgebend für den Entschluß war der anhaltende sportliche Mißerfolg und die damit verbundene Verunsicherung der Mannschaft“, erklärte Heinz Weisener, Präsident des FC St. Pauli, als sei's das normalste der Welt, einen Trainer zu feuern.

Ist es zwar auch, doch auf St. Pauli bildete man sich immer ein, irgendwie anders zu sein, eigentlich „menschlicher“, wie Helmut Schulte nach seinem Rausschmiß enttäuscht sinnierte. „Auf St. Pauli gibt es nicht so viel Mißgunst, keine Neider, hier steht man zusammen“, erzählte noch vor Weihnachten der nun Geschaßte in einem Anflug branchenfremder Naivität. Das „Freudenhaus“ der Bundesliga, als daß sich der FC St. Pauli seit seinem Aufstieg 1988 feiern ließ, ist, soviel scheint gewiß, zum ganz normalen Bundesligaverein geworden.

Ende 1987 übernahm die damalige ABM-Kraft Helmut Schulte das Erbe Willi Reimanns beim FC St. Pauli — und schaffte mit der Elf wenige Monate später den Aufstieg, gefeiert mit lautstarkem Pomp, mit Hupkonzerten auf der Reeperbahn und ohne die gewisse Distanz zu den Volksmassen, die den Ortskonkurrenten HSV seit drei Jahrzehnten auszuzeichnen beliebt. „Helmut, Helmut“, skandierten die Fans, wenn Schulte das Stadion betrat, als sei's seine Bühne. Man schmeichelte ihm, warf ihm seine Lieblingsfrüchte, Bananen, zu. Und man fühlte sich kumpelhaft verbunden mit dem Mann, der einst beim westfälischen SSV Kirchveischede kickte, und dessen kantiges Gesicht wie gemacht war für den Kiezverein mit dem angeknitterten Charme.

Und noch Anfang des Jahres wollte die Vereinsführung Schulte fast einen Vertrag auf Lebenszeit ausstellen: Helmut, die Diva, Schulte, der Nachbar, gehörte zum FC St. Pauli wie Domenica zur Herbertstraße oder Helmut Kohl zu Deutschland. Leider nur gebärdete sich der Trainer immer stärker als Star, legte sich gewisse Allüren zu, sprach kaum noch lange Sätze, raunte nur noch knappe Sottisen und blickte auch während der Spiele mehr in die Weite des Raumes als auf das Geschehen auf dem Rasen.

Nur: Zickigkeiten, wie sie veritable Filmstars an den Tag legen dürfen, sind am Millerntor derzeit nicht angesagt. Ein bißchen durchgeknallt darf auch hier nur sein, wer ausgleichend sportliche Erfolge vorzuweisen hat. Genau die hatte man am Millerntor im dritten Bundesligajahr erwartet, in aller Bescheidenheit wurde manchmal ein bißchen vom UEFA-Pokal geträumt. Doch Schulte erkannte richtig, daß mit der realexistierenden FC-St.-Pauli-Elf kaum mehr als Bolzerei auf höherem Niveau präsentiert werden kann — alles andere, so Schulte, seien „große Rosinen im trockenen Kuchen“.

Von genau solchen Realo-Einschätzungen mochten die Anhänger und der Vereinsvorstand nichts mehr hören — die Ware „heißer Fußball mit Herz und gegen die Großen“ war ein wenig aus dem Trend geraten. Und Heinz Weisener, der Präsident mit der Ausstrahlung jugendherbergsväterlicher Güte, erkannte wohl rechtzeitig, daß etwas getan werden muß, die sieche Truppe auf Trab zu bringen. Mit Schulte jedenfalls glaubte er — Treue hin, Gefolgschaft her — nicht mehr an die Renaissance besserer Tage von einst. Also wurde „der Helmut“ fristlos gefeuert.

Doch echte Trauer mag nicht aufkommen. Die Fanklubs erklärten zwar, traurig zu sein, aber Tränen? Eben. „Helmut war ja zuletzt immer so selten im Klubhaus“, wurde schließlich gerügt. Und der genesene Volksheld Nummer zwei, Volker Ippig, inzwischen auch wieder die Nummer eins im Tor, dekretierte lediglich, daß „der Zeitpunkt unglücklich“ sei für die Kündigung. Februar 1991, der FC St. Pauli, ein Bundesligaunternehmen. JaF&tak