: Wachsende Zweifel an Saddam Husseins „Öko-Terrorismus“
■ Saudis korrigieren das Ausmaß des Ölteppichs im Golf nach unten/ Alliierte Angriffe verantwortlich für 20 bis 30 Prozent der Ölpest?
Berlin (ap/taz) — Eine Entwarnung ist es nicht, aber zu denken gibt schon, was saudiarabische Wissenschaftler und Behörden am Dienstag abend über den Ölteppich vor ihrer Golfküste zu berichten wußten. Neueste Satellitenaufnahmen zeigten, meinte der Forschungsdirektor an der Universität für Öl und Bodenschätze, Abdullah Dabbagh, daß seit Beginn des Krieges etwa 1,5 Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) Rohöl ins Meer geflossen seien. Zwischen diesem Wert und den elf Millionen Barrel, von denen die saudische Regierung bisher stets ausgegangen war, liegt immerhin ein Faktor sieben. Offenbar seien Plankton- und Algenflächen im Meer bei früheren Schätzungen irrtümlich für Öl gehalten worden, entschuldigte sich der Forschungsdirektor.
Eine andere Zahl ist geeignet, die vollmundigen Schuldzuweisungen gegenüber dem „Öko-Terroristen“ Saddam Hussein zwar nicht zu relativieren, aber vielleicht auf andere auszudehnen: 20 bis 30 Prozent des Öls im Golf, erklärte jetzt ein hoher Mitarbeiter der saudiarabischen Umweltbehörde, seien die Folge alliierter Angriffe auf Ziele zu Land und zu Wasser. 70 Prozent hätten die Iraker mutwillig ins Meer fließen lassen. Der saudische Informant bestätigte überdies eine alte Behauptung des irakischen Kriegsgegners: Das Öl, das zuerst an die Strände Saudi-Arabiens gespült wurde (und das den Fernsehteams vor Ort die mitleiderregenden Bilder jämmerlich verendender Seevögel lieferte), stamme aus irakischen Tankern, die von amerikanischen Bombern angegriffenen worden seien. Diesen Vorwurf hatte General Norman Schwarzkopf seinerzeit weit von sich gewiesen und das Gegenteil behauptet: Die Irakis hätten auch aus ihren Tankern absichtsvoll Rohöl in den Golf gepumpt.
Die Natur schert sich nicht um die Wahrheit. Sie stirbt. Daran erinnerte auch der Forschungsdirektor Abdullah Dabbagh. Es sei zu hoffen, daß die jetzt veröffentlichten Zahlen nicht über die verheerenden Folgen der Ölpest hinwegtäuschten. Rund 160 Kilometer der saudiarabischen Küste sind bisher von der Ölpest betroffen. Ein starker Nordostwind drückte am Dienstag immer mehr Öl gegen die Küste. Der fieberhafte Kampf gegen die drohende Verseuchung der Trinkwasser-Entsalzungsanlage in Dschubail geht weiter. Zahllose Vögel sind bereits verendet. Bei aller Vorsicht: Mindestens diese letzte Nachricht entspricht leider der Wahrheit. gero
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