Happy Mondays

Nach all den bösen Dingen, die man über die Happy Mondays gehört hat, angefangen mit ihren frühen Medienstreitereien auf LSD im Jahr 1987, über den gewaltigen Boom, den sie und der Nörgeldiscosound aus Madchester eingeleitet haben: die daraus resultierende Waberbewegung Rave; hin zu noch heftigeren Medienbeschimpfungen auf Heroin im Jahr 1989, zur Konzertabsage kurz vor Einlaßbeginn im Loft, der allgemeines Hausverbot für die Nordengländer folgte; bis hin zur um sich greifenden Hilflosigkeit in Funk und Fernsehen, die neuen Antihelden der Jugend für wilde Partydrogen haftbar zu machen, oder wenigstens der Band habhaft zu werden; und der aktuelle Stand: Plattenvertrag mit der Industrie, Entzug, Familie günden, Kinder kriegen, irgendwann reich und berühmt altern dürfen... — es ist eine fremde und seltsame Welt geblieben, wie Der Plan vor langen Jahren sinnigerweise feststellte, die Popwelt.

Ein Tourbegleiter wußte darüber hinaus allerdings eine ausnahmslos nette Geschichte der Happy Mondays zu erzählen: wie alle zusammen in einem Bergdorf in der Schweiz gesessen haben, unheimlich viel rauchend, trinkend, schluckend und schnupfend. Irgendwann waren sie dann drüber, wie man sagt, dicht, zu, nichts ging mehr. Der nächste Weg mußte zwangsläufig ins Bett oder ins Verderben führen. Für Bandtänzer Bez sollte es an diesem Abend/Morgen eine weitere Möglichkeit geben. Statt ins Hotel fand er bei minus 10 Grad lediglich bis zur nahegelegenen alten Dorfeiche. Da stand eine Bank darunter, da legte er sich daneben, zog vorher Schuhe und Strümpfe aus, wie es sich für einen wohlerzogenen Jungen gehört, und schlief. Etwa fünf Minuten lang. Hui, war der dann wieder wach und wild und wollte gar nicht mehr liegenbleiben und einfach sterben wie die anderen gemeint hatten, worauf sie lachten und schon ohne ihn weitermachten.

Aus diesem Holz sind Burschen geschnitzt, die das Verlieren nicht ganz so ernstnehmen, und die mit dem Gewinnen auch nicht sehr viel anfangen können.

Im Moment gewinnen die Happy Mondays aber nun einmal, an Plattenumsätzen, Popularität und Persönlichkeitswert (denn es wird einer kommen und fragen, ob Sänger Shaun Ryder größer als Jesus sei, und Shaun wird wie gewohnt »Ja« sagen). Mit einer Musik, zu der John Cale auch bloß einfiel, daß sie ihn an die »Exile On Main Street«-Periode der Rolling Stones erinnere, und sie sodann willig produzierte. Die Stnes wird es nicht stören, denen sind schon so viele in die Fußstapfen getreten, da ist noch Platz. Vielleicht werden aber die vielen kleinen unbekannten Raver mißmutig über den Starkult, der um eine Band betrieben wird, die im Grunde nur ihre Musik macht. Die wie 2/3 der englischen Musiker wenig probt, saumäßig daherstolpernd vor sich herschrammelt, aber hemmungslos den »Funky Drummer« von James Brown ausbeutet — und dabei gar nicht tanzen kann.

Deren Sänger Shaun heiser krakeelt, aber jedem Bescheid zu sagen weiß, um was es geht: »Gonna buy an air force base, gonna wipe out your race.«

Das ist in Schlag- und Elefantendenims, Schlabberpullis, mit vertrottelter 10-Klässlerfrisur mittelgescheitelt, wurzelbärtig und milchkäsegesichtig bepickelt, immer noch, wie vor bald 15 Jahren, Punk, der in Britannia ruled. Aber nett ist es, ist es nicht?, wie sich der Engländer diplomatisch wendend, höflich entwaffnend vorweg verneinend zu verstehen gibt. Es ist.

Um 20 Uhr im Metropol. Harald Fricke