Ein Adeliger will seinen Brocken

Fürst Christian Heinrich zu Stolberg-Wernigerode fordert seinen Familienbesitz ein, darunter die Schlösser Wernigerode und Ilsenburg/ Der Fürst will niemandem etwas wegnehmen und selbst nur im derzeitigen Arbeitsamt von Wernigerode wohnen  ■ Von Eberhard Löblich

Wernigerode (taz) — Ein Mann will hoch hinaus. Genau 1.142 Meter, auf den Brocken. Und wenn Fürst Christian Heinrich zu Stolberg-Wernigerode auf dem Gipfel dieses deutschesten aller deutschen Berge steht, dann möchte er das Gefühl von eigenem Grund und Boden unter den Füßen haben. Und deshalb will er seine von den „Roten“ enteigneten Besitztümer jetzt unbedingt wiederhaben. Etwa 5.300 Hektar Wald, die Schlösser Wernigerode und Ilsenburg, einige größere Gebäude, die jetzt von den Kommunen genutzt werden und einige kleinere Häuser, in denen jetzt Arbeiter wohnen. Und als Sahnestück der ganzen Rückbereinigung: den Brocken, Goethes Blocksberg.

Der Fürst ist alles andere als bescheiden. Was vor 1945 Recht war, kann nach 1989 nicht unrecht sein, findet er. Was er da alles wiederhaben will, steht ihm zu, findet der Blaublütige, der eigentlich auch mit seinem großen Gut im Hessischen sein Auskommen hätte. Aber weil ihm das an Arbeit und Auskommen nicht ausreicht, will er auch den alten von den Russen enteigneten Familienbesitz in Sachsen-Anhalt zurückhaben. Die Rückerstattung ist offiziell beantragt, und weil der Einigungsvertrag sie praktisch verbietet, gehört Fürst Stolberg auch zur Klägergemeinschaft, die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht eben diesen Einigungsvertrag anficht.

Aber der Fürst ist nicht nur adelig, sondern auch Realist. „Ich glaube erst mal nicht so recht daran, daß wir vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen“, gibt er zu. Die Richter, so meint er, werden sich auf den Standpunkt stellen, daß die Politik Vorrang vor den persönlichen Interessen einiger Bürger hat. Aber der Fürst hofft, daß die Richter der Bundesregierung aufgeben, die Enteignungen auch zwischen 1945 und 1949 zu prüfen und eventuell sogar einen gewissen Rahmen vorgeben, in dem doch eine Rückgabe erfolgen kann. „Ich rechne zumindest damit, die Wälder zurückzubekommen“, betont der Fürst. Den jetzigen Nutzern verspricht der Fürst großzügig, sie nicht zu verjagen. Das Schloß Wernigerode dürfe Museum bleiben, das habe seine Familie schließlich schon 1930 eingerichtet. „Schon als Kind habe ich das Leben dort als Last empfunden“, erinnert sich der Fürst. Das Museum gilt als eines der besterhaltenen Kulturdenkmäler der ehemaligen DDR. Und das Schloß Ilsenburg könne auch Erholungsheim bleiben, wenn sich ein Träger dafür findet.

Und auch die Wohnhäuser will er nicht für sich allein. Wer sein Haus gekauft habe, der dürfe es selbstverständlich behalten, künftig sogar mit echt fürstlicher Schenkungsurkunde. Und wer nach wie vor zur Miete wohnt, der brauche auch nicht seinen Beutel zu packen. „Diese Leute müssen eben ihre Miete künftig an mich anstatt an die Kommunen zahlen.“ Über die Höhe der fürstlichen Mietforderungen schweigt sich Stolberg aus. Ja, und die ganzen Touristen, die dürften selbstverständlich auch weiterhin den Brocken-Gipfel erklimmen.

Nur das Arbeitsamt von Wernigerode, das müßte sich nach den Plänen von Fürst Stolberg eine neue Bleibe suchen. „Irgendwo muß ich ja auch wohnen, wenn ich meinen Besitz zurückhabe“, findet der Fürst. Und dafür hat er sich das Prinzenpalais ausgesucht. Das haben zum Kriegsende zunächst die Engländer requiriert. Nach dem großen Teilen der Sieger beherbergte das Haus die Stalinschule der Roten Armee und hinterher die Kreisparteizentrale der SED. Wo jetzt das Arbeitsamt die Wirtschaftskrise Ost verwaltet, sei er schließlich einmal aufgewachsen, und da sei es doch wohl wirklich nicht zuviel verlangt, dieses Haus zum Zwecke des eigenen Wohnens an ihn zurückzugeben. Denn die Hotels, in denen er jetzt übernachten muß, wenn er seinen ehemaligen Besitz begutachtet, die entsprechen nun gar nicht seinem adligen Anspruch. Denn den hat er, aber ansonsten ist er eigentlich ein ganz verträglicher Mensch, findet Stolberg. Und selbst den Kommunisten ist er nicht gram. „Der Kommunismus ist doch eine Idee“, glaubt er, „wie kann man einer Idee böse sein?“ Und die deutschen Kommunisten hätten immerhin die Russen davon abgebracht, die Schlösser in die Luft zu jagen, und außerdem ja auch über die Jahre einiges für deren Erhalt getan. Das will der Fürst aber jetzt wieder selbst übernehmen.

Und viele Bürger von Wernigerode und Ilsenburg würden sich darüber sogar mächtig freuen. Bleibt die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht. Manchmal müssen die Richter in Karlsruhe eben auch für die Bürger kleinerer Städte im Ostharz das Denken übernehmen. Die Entscheidung der Richter wird am 23.April verkündet.